Das Totenhemdchen
Es hatte eine
Mutter ein Mädchen von sieben Jahren, das war so schön und lieblich, daß es
niemand ansehen konnte, ohne mit ihm gut zu sein, und sie hatte es auch lieber
als alles auf der Welt, selbst ihren Ehemann.
Nun geschah es,
daß es plötzlich krank ward, und der liebe Gott es zu sich nahm; darüber konnte
sich die Mutter nicht trösten und weinte Tag und Nacht. Besonders des Nachts
lief sie zu den Plätzen wo es gerne gesessen und gespielt hatte. Aber noch
trieb das Kind hier einen Schabernack, noch zeigte es sich der Mutter, war es
ja tot.
Die Mutter
konnte nicht aufhören zu weinen. Ihre Küche blieb kalt, was sie an Arbeit hatte
ließ sie liegen, sie raufte sich die Haare und wusch sich nur, wenn es der
Regen tat. Das ging so bis zum Winter, als es bitter kalt war und die Vorräte
aufgegessen und sie immer zu weinend und jammernd in der Stube saß. Da trieb
sie ihr Mann und die Schwiegermume aus dem Haus und die Nachbarn warfen
allerlei Kot und Unrat nach ihr auf der Straße.
Weinend
flüchtete die Mutter auf den Friedhof. Hier hinter der Kirche am Grab ihres
Kindes harrte sie noch einen Tag und eine ganz Nacht aus, vor Trauer wollte sie
die Kälte gar nicht spüren. Am Morgen aber waren die Tränen auf ihren Wangen
gefroren. Und ihre Augen bedeckten ohne ein Blinzeln die Schneeflocken.
So war sie tot ganz wie ihr Kind. Und ob der Vater eine neue Frau gefunden hat? Na was glaubt ihr, warum hat er die andere verjagt?
Frei nach: Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm