Hans und Greta
An einem großen Walde wohnte ein Holzfäller mit seiner Frau
und zwei Kindern – dem Hans und der Greta. Sie lebten dort glücklich, auch wenn
sie nicht viel hatten und es oftmals an allen Ecken und Enden kaum reichte. Als
es dann nach einem heißen dürren Sommer kaum etwas auf den Feldern gab und er
sich nicht einmal mehr das wenige leisten konnte, machte er sich große Sorgen.
Er setze sich mit seiner Frau des Abends an den Küchentisch
und sagte zu ihr: „Wie sollen wir denn unsere lieben Kinder ernähren, wo wir
doch für uns schon nichts mehr haben“. Sie antwortete „Lass uns das Laiberl
Brot, was wir noch haben, ihnen geben. Dann führst du sie in den Wald, machst
ihnen ein Feuer. Dort lässt du sie dann und kommst ohne sie nach Hause. So sind
wir alle besser dran.
Der Holzfäller wollte erst lange nicht wie seine Frau und
schallt sie kalt und herzlos. Doch zum guten Schluss hatte sie ihn überzeugt,
dass es nur so für sie weiter gehen könnte. Und schließlich hätten die Kinder
noch einmal zu essen gehabt und könnten im Wald doch, so es der Herrgott wolle,
schon etwas finden.
Der Hunger macht keinen guten Schlafkumpan und Hans und
Greta hatten ihre Eltern wohl streiten gehört und auch was sie für morgen für
sie geplant hatten. Hans weinte bitterlich, schluchzend fragte er: „Was sollen
wir nur tun, unsere Eltern lassen uns im Wald erfrieren, wenn uns nicht gar die
Wölfe fressen?“ Doch Greta tröstete ihn: „Schleich du hinaus uns sammle von den
hellen Kieseln im Garten, Ich will vom Feuer das kleine Beil holen. Damit
wollen wir uns verteidigen.“
Am nächsten Morgen in aller Frühe weckten ihre Mutter sie: „
Schnell wascht euch und zieht euch an! Ihr sollte dem Vater heute helfen.“ Hans stand unschlüssig im kleinen Zimmer und
schaute auf die Mutter. Die fragte:“Was trödelst du denn, halt kein
maulaffenfeil“ Hans schaute sie mit großen Augen an: „Hast du mich denn nicht
lieb Mami?“. Die Mutter schnaubte unwirsch und wandte sich ab
„Das muss den Tag für
dich und deinen Bruder reichen“ sagte die Mutter schroff und schob Greta ein
schmales Stoffpäckchen in die Hand. Da war der Brotlaib drin. Dann schob sie
die beiden vor die Tür. Draußen wartete schon der Vater. Er nahm Hans an die
Hand und ging wortlos in Richtung des Waldes wo dieser am dichtesten war. Greta
musste sich anstrengen nicht zurück zu bleiben, schlug ihr doch auch immer
wieder das kleine Beil gegen den Schenkel. Aber so sah sie gut, wie Hans immer
einmal widre einen der kleinen Kiesel auf den Boden warf, ganz so wie sie es
vereinbart hatten.
Die Wege wurden rasch schmaler und der Wad immer dichter.
Schon den halben Vormittag waren sie nur noch auf Wildpfaden gelaufen und so
manches mal hatten sie sich durch das Unterholz gekämpft, als sie auf eine
hübsche Lichtung kamen, an dessen Rand sogar ein munterer kleiner Bach floss.
„Hier macht ihr erst einmal Rast, ich zünde euch ein Feuer an und fange an zu
arbeiten“ „Ich hole euch, wenn ihr mir dann helfen sollt“.
Greta nickte nur und presste die Lippen zusammen und Hans schluchzte sogar
einmal erstickt. Aber keiner sagte noch einmal ein Wort.
Obwohl es dem Holzfäller fast das Herz brach, ließ er die
beiden dann am Feuer zurück. Und ging schnurstracks zurück nach Hause.
Hans fragte: „Was machen wir denn jetzt?“
„Wir lassen sie jetzt über Nacht warten“ erwiderte Greta.
„Ich glaube unsere Eltern werden uns schon wieder nehmen, wenn sie sich erst
einmal so richtig um uns Sorgen gemacht haben“
Und so saßen sie beisammen am Feuer und ließen es sich den
Umständen nach recht gut gehen, bis es langsam dunkel wurde und auch kälter.
Greta stand auf: „Ich gehe etwas Holz sammeln.“ Hans streckte die Hand aus:
„Gib mir das Beil ich will Holz schlagen“.
Bist du sicher? Fragte Greta: „Vater hat doch gesagt, dass
du noch nicht alt genug bist mit einem Beil zu hantieren.“ „Pah“ erwiderte Hans
„der lässt uns im Wald allein, hat mir gar nichts zu sagen. Außerdem bin ich
ein Junge, ich sollte das Beil sowieso haben“ Dieser Logik musste sich Greta
wohl beugen und gab ihm das Beil.
Greta ging ein Stückchen den Bach entlang und sammelte dürre
Äste und sogar ein paar saure blaue Beeren.
Hans war ein Stückweit in den Wald in die Richtung in die
sein Vater weg gegangen war. Bald kam er aber an ein dürres Dickicht, so dass
er nicht weiter kam. Er versuchte sich seinen Weg hinein zu bahnen, doch unter
seinem linken Fuß drehte sich ein Stein und er knickte um. Ein hinterlistiger
Ast kratze durch sein Gesicht und mit der Hand packte er in die Dornen als er
sich festhalten wollte.
Hans schrie wutentbrannt auf. Mit dem kleinen Beilchen
schlug er nach den Ästen und riss und rupfte bis er ganz außer Atem war. Greta
kam dazu gehastet: „Brauchst du Hilfe Hans, Sag doch was ist?“ „Nichts ist“
motzte er sie an, „lass mich, ich mach dass“ Greta ließ ihn seinen Ärger
austoben. „Lass mich in Ruhe“ schrie er ihr noch hinterher.
Einige Zeit später kam er mit einem großen Bündel Reisig
zurück. Dann hinkte er sogar noch zweimal zum Dickicht zurück, bis ein großer
Haufen trockener Zweige beim Feuer lag.
Greta hatte eine
deutlich kleinere Menge Äste gebracht, dafür aber einige weiche Tannenzweige
und moos auf dem Boden ausgebreitet. „Kannst froh sein, dass ich so viel
gebracht hab“ sagt Hans. Deine paar Äste hätten ja nie durch die Nacht
gereicht. Was willste denn mit dem grünen Zeug?“ „Das ist für unser Nachtlager,
Auf den Zweigen und dem Moos ist nicht so hart wie auf der Erde“
„So ein Blödsinn, ich lehne mich einfach hier ans Holz“
sagte Hans, „ist noch etwas vom Brot da?“
Greta verneinte: „Soll ich mir die Backe und das Bein
ansehen?“ „Ach das ist doch nichts, außerdem; was willst du denn schon tun“
Nachdem er kein Haltung gefunden hatte in der ihn nicht das Reisig piekste,
warf dann doch ein paar Tannenzweige auf den Reisighaufen und machte es sich
halb sitzen bequem. Sein Knöchel pochte und presste von Innen gegen den Schuh
und seine Backe brannte mindestens so schmerzhaft wie seine Hand.
Übel gelaunt wehrte er die Versuche seiner Schwester ab mit
ihm zu sprechen. Während es langsam immer dunkler und auch immer windiger wurde
richteten sie sich beide auf eine ungemütliche Nacht ein, aber immerhin hatten
sie ein flackerndes Feuer. Auch wenn Hans immer wieder der Rauch in’s Gesicht
wehte
Und so übermannte die beiden die Müdigkeit.
Als Greta von den lauten Schreien ihres Bruders erwachte war
es schon zu spät. Hans hatte den Rauch im Gesicht ignoriert und als die ersten
Funken flogen hatte er nur seine Mütze tiefer ins Gesicht gezogen. Sein Mantel
kokelte und die ersten Flammen, die im Reisighaufen hochschlagen setzen seine
Haare in Brand, Da erwachte Hans schlagartig. Er sprang auf und wollte schnell
weg, aber sein verstauchter Knöchel verriet ihn. So fiel er seitlich zurück,
direkt in den Reisighaufen, der jetzt lichterloh brannte. Die Kratzer, die
vorhin auf seiner Hand und im Gesicht gebrannt hatten, die merkte er jetzt gar
nicht mehr. Als seine Haut kohlte und Blasen warf.
Greta starrte ungläubig auf ihren Bruder, der sich in den
Flammen wand. Sie machte einige Schritte, wollte nach ihm greifen, aber die
Hitze die ihr vom Rand der Lichtung entgegenschlug brannte auf ihrer Haut und
ihrer Hände röteten sich. Hans hatte die Arme und Beine fest angezogen und seine
Haut war schwarz verbrannt, nur seine Zähne blitzten aus dem lippenlosen Mund.
Der Wind treibt das Feuer vor sich her. Und der trockene
Wald saugt gierig die lodernden Flammen in sich auf. Tiere rennen dicht an
dicht auf engen Pfaden und hinter ihnen wälzt sich die Feuersbrunst durch die
Wipfel und kaum sichtbar glüht sie durch das alte Moos und die Blätter am
Boden. Eben noch steht die Esche am Rand des Gartens unseres Holzfällers, dann
kriechen die Flammen von den Wurzeln nach oben. Springen über auf das
schindelgedeckte Dach und Rauch erstickt die beiden in dem kleinen Alkoven
neben der Tür – erbarmungsvoll vor den Flammen.
Greta stolpert blind im Dunkeln den Bachlauf entlang,
umgeben von den aufgeschreckten und wilden Tieren des Waldes – und ob sie auch
gestorben ist? Na ewig lebt sie sicher nicht.
Frei nach: Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm