Geschichten von Schwertern und Zauberei

Der Kohler – 4

This entry is part 4 of 25 in the series Der Kohler

Der schlechteste Bösewicht

Die Gitterwägen setzten sich in Bewegung, Johan war übel. In der letzten Stunde hatten der Hauptmann und Harald den Widerstand der Jugendlichen gebrochen. Zusammen mit ihren Männern hatten sie mit einer erprobten Kombination aus Drohungen und Gewalt die Söhne und Töchter der Bauern von Talgede an die Geschirre der Wägen gezwungen.

Sie hatten mit den beiden Mädchen begonnen. Ana und Marie hatten sich seitdem sie gestern Nacht aus ihren Familien gerissen wurden gegenseitig im Arm, erst zum Trost und je kälter der Morgen wurde, um sich gegenseitig warm zu halten. Ana war ein kräftiges dunkelhaariges Mädchen, das schon seit einigen Jahren auf der Schweinefarm ihres Vaters arbeitete und auch zwei Ferkel unter dem Arm tragen konnte oder einem vorwitzigen Kerl beim Herbstfest ohne Küsse, aber mit blauen Flecken zurücklassen konnte. Marie war ebenfalls dunkelhaarig, aber schmal und zart. Sie war ihrer Mutter zusammen mit ihren zwei Geschwistern beim Spinnen und Weben zur Hand gegangen, seit ihr Vater beim Holzfällen verunglückt war und sie war eine begabte Weberin. Als jüngste von den dreien, war sie leider aber auch die, die ihre Mutter als letztes würde verheiraten können. Sie war kaum alt genug, um gegen den Groschen getauscht zu werden, erkaufte aber ihrer Mutter und ihren Schwestern zwei Jahre Zeit und ein wenig Hoffnung. Sie hatte die ganze Nacht geweint und sich fest an Ana geklammert, bis einer der Soldaten Ana grob am Arm packte, auf die Beine zog und zum ersten Gitterwagen zog.

Klaas, der zahnlückige Bewaffneten, der Martens Tochter so ölig angestarrt hatte, Klaas war die perfekte Besetzung für diese Aufgabe. Er war schon eine Weile nahe bei dem Häufchen Elend der beiden Mädchen gestanden. Ab und an leckte er sich die Lippen und dauernd, viel zu lang, musterte er die Brüste der beiden Mädchen, die sich in der morgendlichen Kälte unter den langen Tuniken deutlich abzeichneten. Klaas stellte sich breitbeinig über die beiden, packte Ana am Arm und zog sie an seinem Oberschenkel nach oben. Er gab ihr einen Stoß mit Schulter und Hüfte und drehte sich mit ihr zum Wagen, blockierte geübt mit dem Oberschenkel das reflexhaft hochgerissene Knie. Ana schrie entrüstet auf, als er sie grob an der linken Brust packte.

Harald und der Hauptmann standen an gegenüberliegenden Seiten des Hofes. Sie kannten beide Klaas Vorstellung, die umso besser war, weil sie nicht im Geringsten gespielt war. Harald kam nicht um eine gewisse geekelte Faszination umhin: Wie oft ein Mann auf so wenigen Schritten ein Mädchen unsittlich berühren konnte!

Sie hatten die Jungen im Auge. Einer von ihnen würde gleich bestens mit ihnen zusammenarbeiten. Harald hatte auf Martens Sohn gesetzt, der Hauptmann auf Matjas, den Sohn des Ortsvorstehers. Keiner von beiden hatte Marie im Blick. Als Ana überraschend aus ihrem Arm gerissen wurde, war sie nach vorne gefallen, wie erstarrt lehnt sie einen Augenblick auf ihren instinktiv vorgestreckten Händen, dann kreischte Ana und Marie explodierte. Sie stieß sich mit den Händen ab, krabbelte erst auf allen Vieren, aber sich zunehmend aufrichtend auf Klaas zu und katapultierte sich aus der Hocke auf ihn, krallte sich in sein Gesicht. Dabei übertönte sie und kurz darauf auch Klaas, Ana um ein Vielfaches.

Klaas stieß Ana weg und versuchte Marie abzuwehren, als er sie nicht zu fassen bekam, warf er sich nach Vorne und sie schlug unter ihm mit einem Übelkeit erregenden Knacken auf. Harald fluchte und sprang hinzu, um Klaas von dem Mädchen runter zu ziehen. Der Hauptmann Uskar blieb ruhig und wartete weiter auf seinen Freiwilligen.

Matjas hatte tatsächlich gedöst, als das Handgemenge los ging. Er war in den letzten Stunden ein wenig im Selbstmitleid versunken, nicht weil er sich besondere Sorge, wegen der kommenden zwei Jahre Zwangsdienst machte, sondern weil er nicht bei Jelena geblieben war. Er war sich sicher, dass es ohne die unzeitgemäße Intervention der Soldaten endlich soweit gewesen wäre. So hatte er ein bisschen vor sich hingeträumt, was alles hätte passieren können und war inzwischen bei den Tagträumen bei der Vorstellung angekommen, wie es sein würde, wenn er in einigen Jahren triumphierend in das kleine Dorf zurückkommen würde. Er wurde wach als Ana anfing zu schreien und er von Janis, Martens Sohn, unsanft angerempelt wurde.

Als die Soldaten gestern zum Aussiedlerhof gekommen waren, war Marten ohne zu zögern aus dem Bett gesprungen, hatte seinen Flegel gegriffen, war aus dem Haus gestürzt und auf die Soldaten losgegangen. Seine Frau Hannah war ihm in den Arm gefallen, bevor er einem von ihnen den Schädel einschlagen konnte, aber auch so schaffte er es noch einen der Soldaten mit der Faust niederzustrecken und einen zweiten so heftig zu treten, dass er Schwert und Fackel fallen ließ. Dann hatten ihn zwei Soldaten gepackt und auf die Knie gezwungen, während der dritte stolpernd, aber mit purer Mordlust in den Augen, sein Schwert vom Boden klaubte.

Harald stoppte ihn: „Wenn n dahergelaufener Bauer dich verprügeln kann, hast es nicht besser verdient.“ Der Soldat machte den Mund auf und holte Luft. „Jetzt zünd die Scheun an“ Unterbrach ihn Harald. Der Soldat grinste. Und nahm die Fackel auf.

Harald ritt zum tobenden und fluchenden Marten: „Es ist dir überlassen. Deine Scheune hast schon verloren, solls auch noch dein Haus sein oder schickst du deinen Sohn mit“

Hinter Harald begann das Strohdach der Scheune Feuer zu fassen in Martens Augen spiegelten sich die Flammen. Dann schloss er die Augen und nickte.

Zu sehen, wie Soldaten seinen Vater verprügelten und ihre Scheune anzündeten, hatte Janis unendlich wütend gemacht, aber nicht dumm. Er ahnte, dass die Soldaten nur auf einen Vorwand warteten, um in unverhohlene Gewalt auszubrechen.

Also hatte er zweimal tief Luft geholt und war dann aus der Tür getreten. Die Männer hatten ihm die Hände gefesselt und hinter ein Pferd gebunden. Auch der Soldat, den sein Vater niedergeschlagen hatte, konnte nicht reiten, sondern nur taumelnd gehen. Das machte den Weg etwas erträglicher, aber weniger wütend war er deswegen nicht

Ana’s Schrei brachte das Fass fast zum Überlaufen. Die arme kleine Marie, unter dem perversen Söldner zucken zu sehen, war der letzte Tropfen. Sein Gesichtsfeld verengte sich und das Blut pochte in seinen Schläfen. Er sprang auf, sein Knie stieß unsanft gegen Matjas Schulter, als er auf das Gerangel zu rannte.

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