Die Rußhütte
Johann hockte missmutig im Gebüsch hinter seiner Hütte. Der Eintopf, vielmehr sein durchschlagende Wirkung, hatte ihn aus dem Schlaf gerissen. An den Weg zur Latrine war nicht zu denken gewesen, so war er nur wenige Schritte über den schmalen Weg hinter den Hütten in den Wald gehastet. Während die Krämpfe langsam abflauten und der Schweiß auf seiner Stirn langsam trocknete, versuchte er im dunklen die Flora um sich zu herum zu identifizieren. Hauptsache groß sollten die Blätter sein. Er hatte gerade immerhin einen vielversprechenden Farn ertastet, als er die grobschlächtige Gestalt von Klaas auf dem Weg sah. Die Silhouette war im ausgehenden Feuer deutlich zu erkennen und er sah, dass er das Mädchen über der Schulter trug.
Als Johann auf den Weg trat, konnte er noch beobachten, wie Klaas die Tür zur steinernen Hütte an der Klippe aufstieß und hineintrat. Unschlüssig ging er langsam einige Schritte in die Richtung, er blieb stehen, drehte sich halb um. Seine Schultern sanken herab und er lehnte sich gegen einen Baum. So wartete er ein paar Minuten schaute in das Dunkel hinter Klippe und wusste nicht worauf er eigentlich wartete.
Bent hatte den kleinen Steuereintreiber schon aus einiger Entfernung am Baumstamm lehnen sehen. Mit einem leichten Grinsen ging er leise und gleichmäßig weiter. Johann bemerkte ihn erst, als der andere schon fast bei ihm stand. Er zuckte zurück und stieß sich den Ellenbogen am Baumstamm an, er saugte schmerzerfüllt Luft ein. Bent stand vor ihm, den Knüppel drohend erhoben. Dann grinste er: „Entschuldigt der Herr, hab euch erst nicht erkannt, dachte erst ihr wärt ein Eindringling“
Johann verzog schmerzlich das Gesicht: „Nichts passiert, nichts passiert“, beschwichtigte er. „Das hätte ja ordentlich schief gehen können“.
Bent nickte nur langsam mit dem Kopf und brummte zustimmend.
„Klaas ist schon bei der Rußhütte“ sagte Johann, er nahm seinen Mut beisammen „Ich frage mich wozu er das Mädchen dorthin mitgenommen hat?“
Bent sah ihn scharf an: „Welches Mädchen?“
„Die Verletzte, Marie glaub ich“ er stockte kurz „ist das denn so ordnungsgemäß?“
Bent war kurz still, dann zuckte er mit den Schultern und hb herausfordernd den Kopf: „Komm doch mit und schau zu“ sagte er.
Johann schüttelte den Kopf
„Nein? Na dann geht’s am besten zurück in’s Bett, nicht dass bei der Patrouille nachher doch noch ein Unfall geschieht.“ Erschaute Johann abwartend an.
Der drehte sich um und ging zu seiner Hütte. Bent wartete ein paar Augenblicke, dann rollte er mit den Augen und machte sich auf den Weg zu Rußhütte, um nachzusehen, was sein Rottmeister Klaas anstellte, er konnte sich allerdings nur zu gut vorstellen, was das war.
Johann stand in seiner dunklen Hütte. „Ich frage mich wozu er das Mädchen mitgenommen hat“ murmelte er. So sehr er sich vor der Vorstellung ekelte, was sich gerade in der Hütte an der Klippe abspielte, ekelte er sich sogar noch mehr vor seiner eigenen Feigheit.
Jedesmal wenn er sich einem der Soldaten entgegenstellte, wurde er zu einem stammelnden Wicht. „Aber ich muss doch irgendetwas tun“ er schlug mit der Faust nach der Holztür, aber machte im letzten Moment die Faust auf, nur seine Fingerspitzen schlugen schmerzhaft gegen das raue Holz.
Er saugte an einem Spreißel, den er sich eingezogen hatte. Dann griff er seine Lederkladde und steckte seinen Kopf vorsichtig durch die Tür. Sie Luft schien rein zu sein also schlich ungeschickt und sich immer wieder schuldbewusst umschauen aus der Hütte und zu den Wagen mit den Rekruten. Dort angekommen löste er den Riegel außen am ersten Wagen, den mit den Talgedinger Rekruten. Die Jungen und Mädchen im Wagen waren wach und sie schauten ihn misstrauisch an. Einer von ihnen schien noch etwas sagen zu wollen, aber Johanns Mut war aufgebraucht und er huschte geduckt zu seinem gemütlichen ältlichen Wallach, der stand etwas einsam ein paar Meter abseits der anderen Pferde. Er band ihn immer ein paar Meter weg an, weil er überzeugt war, dass ihn die Soldantepferde nicht leiden konnten.
***
Jannis saß unwissentlich unweit der Stelle an der sich Johann erleichtert hatte. Er war wütend auf die anderen, aber noch viel wütender war er auf Klaas. Trotzdem nahm er sich hier ein paar Minuten, um das Lager in Augenschein zu nehmen. Er konnte keine Bewegungen erkennen und er sah auch keine Wachen am Feuer. Oder auf dem Weg. Aus der Rußhütte drang nur bei der Tür ein leichter Lichtschein, sonst kam das einzige unzuverlässige Licht vom Mond und von der dunkler werdenden Glut des Kochfeuers.
Ihm war kalt und die Frühsommernacht ließ seinen Atem beschlagen, der Wald lag still nur ein fauliger Geruch stieg ihm ab und an in die Nase.
Vorsichtig und so gut als möglich im Schatten der Bäume schlich er auf die Klippe zu. Er macht einen Bogen am Waldrand entlang und ging nicht direkt auf die Hütte zu. Dadurch kam er von vorne auf die Tür zu, die eine Spalt offen stand, so dass er einen Teil der linken Innenwand der Hütte sehen konnte.
Drinnen brannte eine Lampe, an der verrussten Wand hingen ein Wams und eine Bruche und auf dem Boden im Dreck lag zusammengeknüllt die Kittelschürze von Marie. Jannis sah rot, er packte einen am Boden liegende Ast und stürmte zur Tür, stieß sie mit der Schulter heftig auf. Ein Blick reichte, schmutziger Tisch, darauf Marie und davor die nackten Beine und der nackte Arsch von Klaas, der grunzend über sie gebeugt war. Er schlug einmal mit dem Ast zu, traf den Rücken und lockte ein quieken hervor, holte dann weiter aus und ließ den Ast mit aller Kraft auf den Hintern heruntersausen.
Bent hatte in der Ecke hier der Tür gestanden, noch unschlüssig, ob er mitmachen wollte oder noch einmal nach den Rekruten sehen und so tun sollte, als hätte er nix mitbekommen.
Die Tür traf ihn schmerzhaft an Schulter und Arm. Er stieß sie weg und sah wie einer der Jungen gerade einen morschen Ast auf Klaas Hintern zerschlug, der quiekte lautstark.
Bent packte den Jungen an der Schulter und zog ihn zurück. Janis wurde nach hinten gerissen und schlug wild um sich, ein Ellenbogen nahm Kontakt mit einem Schädel auf und der Griff lockerte sich. Er riss sich los und sprang erneut auf den halbnackten Klaas, klammerte sich an seinem Hals fest und drückte die Arme so fest zusammen wie er konnte.
Klaas warf sich nach links und rechts gegen die Wand der Hütte und versuchte seinen Angreifer los zu werden, aber der ließ nicht locker. Gemeinsam taumelten sie aus der Hütte in Richtung de Klippe. Immer mehr dunkle Flecken sammelten sich und schoben sich vor sein Sichtfeld, das Blut pochte laut in seinem Kopf. Er schaffte schließlich hinter und über sich zu greifen und bekam das Wams des Jungen zu packen. Er zog so fest er konnte und warf sich dabei nach vorne. Der Rand der Klippe und die Finsternis dahinter rasten auf in zu.
Bent hätte nicht untätig dabei gestanden, aber er hatte auch keinen Ansatzpunkt gefunden, wie er hätte eingreifen können. Als Klaas den Jungen an der Klippe abwarf, packte er ihn aber bevor er dem Jungen kopfüber in die Dunkelheit folgen konnte.
Schweratmend lagen sie eine Weile oben an der Klippe, dann sagte Klaas.
„Wir müssen das Mädchen los werden“
Wird fortgesetzt…