Geschichten von Schwertern und Zauberei

Der Kohler – 15

This entry is part 15 of 25 in the series Der Kohler

Verrat und Pläne am Morgen im Lager

Die drei Wildhüter waren gerade dazu gekommen, als Matjas den armen Steuereintreiber verriet. Anderklaas hatte am Ende der dritten Wache den Fehlbestand im Talgedier Wagen bemerkt und Alarm geschlagen. Klaas war als erstes auf den Beinen. Er rüttelte den Rest seiner Rotte wach und schiss dann erst einmal Anderklaas so richtig zusammen.

Der unsanft geweckte Uskar hatte antreten lassen. Nachdem er gesehen hatte, dass nur Rekruten aus Talgede verschwunden waren, rief er Harald zu sich: „Das ist dein Affe, sieh zu, dass du den Bock wieder geradebiegst.“

Harald drehte sich zu Klaas um. Der hatte sich ein Ochsenziemer gepackt und schlug damit auf seinen Namensvetter ein. Er ging langsam auf den Wagen zu. Im Wagen saßen und standen nur noch drei Jugendliche, die völlig entgeistert auf Klaas und sein Opfer starrten.

Er holte Luft: „Seid vernünft‘g dumm“

„Der Steuereintreiber hat das Gitter aufgemacht“ unterbrach Matjas die sicher wohl gesetzten und bedrohlichen Worte, mit denen Harald, also beinahe unverständlich verkürzt und halb verschluckt ausgesprochen, sie zum Reden bringen wollte.

„Aha?“

„Er hat das Gitter aufgemacht heute Nacht und vorhin ist er weg“

Harald starrte ihn immer noch aus dem Konzept gebracht an.

„Richtung Kaiserach ist er weg, mit dem Pferd“ beeilte sich Matjas zu stammeln.

Matjas stand an der Gittertür. Die beiden anderen Jungen hatten sich von ihm abgewandt ihre Abscheu spürbar. Harald öffnete lächelnd die Tür: „Nimm n Frühstück, erzähl.“

Er zeigte zur Feuerstelle. Matjas stieg ungeschickt vom Wagen runter. Keine zwei Meter neben ihm stand Klaas mit hochrotem Gesicht über dem etwas zierlicher gebauten drahtigen Anderklaas. Er schlug methodisch auf ihn ein. Ein Schlag zum Kopf, einer zum Bauch, sein Opfer drehte sich, auf den entblößten Rücken. Ein Stoß in die Seite brachte die Arme nach unten, um die Rippen zu schützen. Dann folgte wieder ein schneller Schlag zum Gesicht. Die Methode zeigte Erfolg, die weißblonden Haare auf der rechten Kopfseite hatten sich bereits blutrot gefärbt, von einer Platzwunde an der Schläfe und auf dem Rücken hatte Anderklaas lange geschwollene Striemen.

Harald wartete bis der Junge auf einer Höhe mit dem Prügelnden war.

„Klaas“ herrschte er, Matjas sprang aus dem Stand fast zwei Meter bis zum Feuer,

„hör auf, wir frag‘n‘ Jungen“

Matjas war sich so sicher gewesen, dass es eine Falle war. Aber im Lauf der Nacht war nichts mehr passiert, außer dass der Steuereintreiber irgendwann mit seinem Pferd vorsichtig Richtung Weg ToDo: wirklich so viele?] schlich und auch Peter, Kristof und Isa hatten sich ein Herz gefasst und den Wagen verlassen.

Zurückgeblieben war er mit den beiden blonden Ochsen Tjark und Torben und er war sich sicher, dass die beiden nur wegen Tjark dageblieben waren, der eine schlimme offene Blase am Fuß hatte. Beide waren groß und kräftig, wie ihre jeweiligen Väter, wenn auch nicht athletisch gebaut, sondern eben mehr mit der Masse eines Ochsens und zumindest Torben musste auch im Kopf den Vergleich mit einem Ackertier nicht scheuen.

Torben machte sowieso nichts alleine und er folgte Tjark schon seit Jahren überall treu hinterher. Der konnte kaum laufen, nachdem er sich gestern den Ballen wund gescheuert hatte, aber Matjas war sich sicher, dass er auch dageblieben wäre, einfach nur um ihn zu ärgern.

Er erzählte breitwillig am Feuer, was in der Nacht am Wagen vorgefallen war. Wie erst Klaas Marie geholt hatte. Um sie zu pflegen, wie der hastig einwarf. Und wie dann in den frühen Morgenstunden der Steuereintreiber das Gitter aufgemacht hatte. Wie er versucht hatte, die anderen vom Desertieren abzuhalten.

„Warum hast nicht g’rufen?“ fragte ihn Harald. Aber Tjark hätte ihn bedroht, der große da am Eck vom Wagen. Harald und Klaas nickten verständnisvoll. Wanja, der auch am Morgen Küchendienst hatte, verzog nur abschätzig die Lippen

 Hjallmann trat hinzu: „Wir kommen von Kaiserach, haben einen kleinen dicken Kerl auf dem Weg getroffen. Ich fand es noch komisch, dass der so früh unterwegs war“

„Was macht’n hier?“

„Wir haben einen Nachzügler aus Greifenstedt nach Kaiserach gebracht. Sein Vater hatte ihn im Keller versteckt, aber ein Nachbar war so aufrecht, das zu melden“

„Und warum macht ihr so was, Ihr seid doch keine Soldaten?“ Klaas baute sich vor dem kleineren Mann auf. Bjarn und Kraki seine beiden Gehilfen rückten etwas dichter. Der streckte sein Kinn vor: „Ich bin der Wildhüter des Grafen, das ist sein Wald, in dem du stehst“

„Fürs Reich jaja“ Harald schob sich dazwischen. „wie weit war’nder weg?“ Hjallmann funkelte Klaas weiter an, dann drehte es sich wieder Harald zu: „Eine Stunde etwa ist das her, der Junge sagt die Wahrheit“

„Für einen gerechten Lohn würden wir drei euch den kleinen Mann schon bringen“

Harald dachte kurz nach. „Musst nicht, reiten in die Richtung, geht nur nach ‘ach. Fragt Hauptmann, findet die andr’n“

„Das ist unser Sold“ maulte Klaas „wir finden die, das ist mein Recht“

„Ihr findet sie einfach vor den Wildhütern“ entschied Uskar. „Dann soll es auch wieder euer Sold sein.“ Er wandte sich zu Hjallmann: „Für eure Mühen zahl ich euch einen Pfennig, wenn ihr sie vor meinen hierher bringt, ist der Steuerpfennig von allen fünfen euer Lohn.“

„Der Pfennig geht aus deinem Sold, Harald“ der nickte nur.

Die Truppe hatte sich danach recht rasch aufgeteilt. Harald mit Klaas‘ Rotte die Flüchtigen einfangen. Viari sollte den Rest nach Kaiserach schaffen.

„Was machen wir wegen Johan“ fragt sie Uskar

Der grinst breit: „Um den kümmere ich mich. Mach mein Pferd fertig. Ich warte auf euch, sobald ich ihn habe“

***

Der Kohler – 14

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***

Das Blut klebte Hemd und Hose an seine Haut. Jeder Schritt zog den klaffenden Riss im Bauch auseinander, Schlingen seines Darms blitzten, der Zug der losen hängenden Innereien schmerzte bei jeder Bewegung und erfüllt ihn mit panischer Angst. Er hatte keine Erinnerung an den Aufstieg zum Hochpass oder die letzten Stunden. Er war im Regen aufgewacht, im Dunkeln, Stunden oder Tage nach der Schlacht.

Jeder stolpernde Schritt brachte ihn ein kleines Stückchen weiter weg von mehr Gewalt und genug Tod, als ein Mann ertragen konnte, vom blutigen Sterben seiner Freunde.

Immer weiter taumelte er, nur weg von den Leichen, von den Feinden, von den Freunden, vom süßlichen Geruch nach Blut, dem Gestank des Schlachtfeldes und von dem Versprechen, dass er gebrochen hatte.

Wird fortgesetzt

Der Kohler – 13

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Meilerbau – 2

Der Kohler hatte sich überrascht aufgerichtet, als die beiden Männer auf die Lichtung kamen. Er machte einen instinktiven Schritt nach vorn, in seiner linken Hand hatte er eine faustvoll Späne, das Waldmesser hielt er vor seinem Bauchnabel, mit leicht gestrecktem Arm zeigte die Spitze auf die Augen des schmalen Bewaffneten, der gerade seinen Kumpanen nach rechts gestoßen hatte und nun vorsichtige Schritte zur anderen Seite machte. Er atmete tief ein und warf Messer und Späne auf den Boden vor sich. Er duckte sich und streckte die Hände vor sich.

Bent sah, wie der große Kerl aufsprang und in einer Wolke aus Holz und Späne sein Messer wegwarf. Er atmete erleichtert auf. Ennu maulte etwas Unverständliches und drehte sich zu ihm um.

Er ging auf den geduckten Mann zu. Der starrte mit leicht geöffnetem Mund auf den Boden. „Wohl dem Kaiser mein Bester“ Der Riese schaute ihn mit schrägem Kopf von unten an, aber wich seinen Augen aus. “Bist du der Köhler?“ Der andere blinzelte, wippte auf den Füßen, stumm. “Hey! Versteht du mich?“

Ennu kicherte als der Esel aus dem Anbau lautstark grüßte: „Da haste den Hausherren.“

„Ob. Du. Mich. Verstehst“ Bent sprach langsamer und lauter. Er musterte den Mann vor sich. Der hatte eine schmutzige Bruche und Holzschuhe an, sonst war er nackt. Seine Hände und Arme waren mit Lehm beschmiert, auch Gesicht und Bart hatten Erde abbekommen. An seinen Armen zeigten sich sehnige Muskeln, seine Haut am Bauch und an den Hüften hing etwas lose, als hätte er im Winter einiges an Federn gelassen. Am auffälligsten war die lange rot gezackte Narbe, die sich von der Hüfte – aus der Mitte der tief sitzenden Hose –  links am Bauchnabel vorbei auf der linken Bauchseite bis zu den ersten Rippen hoch zog.

„Hast. Du. Jemand. Gesehen?“

Der große Mann blieb geduckt, schaute ihn blinzelnd and. Er fasste sich langsam an den Bauch und rieb seine Narbe. Ennu stieß ihn von der Seite an. „Großer Bastard, hm? Doof dass du auf den Kopf gefallen bist. Kannst uns auch nicht weiterhelfen oder? Suchen eine Handvoll Jugendliche, zwei Jungs, ein Mädel.“

Der Kohler dreht sich zum Größeren der beiden Eindringlinge auf seiner Lichtung. Er richtete sich auf und runzelte die Stirn.

„Genau! Ein Mädchen, hast du es gesehen?“ Ennu packte ihn am Arm, als er einen Schritt zurück machen wollte. Es raschelte im großen Erdhügel. Beide fuhren herum. Ennu machte vorsichtig einen Schritt auf den halbfertigen Meiler zu.

„Hast du sie versteckt“? Bent musterte den Köhler, der zwischen ihm und dem Meiler hin und her schaute und heftig den Kopf schüttelte. Bent grinst breit, er zog sein Schwert „HaHaaa“! sprang er in die mannshohe Öffnung. Er stocherte mit dem kurzen Schwert zwischen die Holzscheite „Ha!“.

Es quiekte erschrocken im Mailer, dann explodierten die Holzscheite nach außen und Bend sah einen grunzenden schwarz und weiß gefleckten Keiler auf sich zukommen, warf sich zur Seite um auszuweichen. Er schrie laut auf als sich die kleinen harten Hufe in seinen Oberschenkel gruben, die rauen Borsten an der Seite kratzten an seiner Schulter, er spürte einen heftigen Stoß, dann war das Tier an ihm vorbei, prallte gegen den Pechstein und floh grunzend in das Unterholz dahinter.

Ennu hatte aufgehört zu kichern, er lachte hustend und klopfte auf die Lehmwand des Meilers. Bent rappelte sich auf. Er schaute sich wütend um und fokussierte auf den Köhler

Der Kohler versuchte zurück zu weichen, als der stämmige Bewaffnete auf ihn zu stürmte, aber der packte ihn am Bart, zog sich am Bart nach oben und gab ihm eine Ohrfeige. Der Kohler ging zu Boden und rollte sich zusammen. Einige Tritte später hörte Bent auf ihn zu quälen. Er stand über dem zusammengekauerten Mann und drehte sich zum immer noch hustenden Ennu um: „Wenn du nicht gleich deine dumme Lache verschluckst, werde ich sie dir in’s Hirn treten.“ Der schluckte und verstummte.

Bent trat noch einmal nach dem Idioten, dann ging er von der Lichtung, ohne sich noch einmal nach Ennu oder dem Kohler umzudrehen. Ennu sammelte sich: „Hey, Idiot, wenn du jemanden siehst, dann kommst du zu uns, zu uns, sonst kommen wir wieder.“ Der Kohler schaute hoch; er sagte nichts. „Wir sind in der Pechsieder Siedlung.“ Ennu stieß den am Boden liegenden mit dem Fuß: „Hast du mich verstanden?“ Der Kohler nickte, er schaute den beiden Männern noch lange nachdem sie die Lichtung verlassen hatten hinterher.

Nach einer Weile fing er an zu zittern, er stöhnt und schlug mit den Fäusten auf den Boden, presste sich die Hände in das Gesicht. Zitternd wiegte er vor und zurück. Er hatte die Augen fest geschlossen, den Esel hörte er erst, als der das dritte Mal laut tönte.

Immer noch zitternd stand schließlich auf, er streckte sich und rieb sich die schmerzenden Arme. Er richtete halbherzig die Schäden am kleinen Meiler auf dem Pechstein, dann sah er sich die Schäden am Großen an. Im großen Holz und Lehmhaufen fand er die Spuren von zwei Nachtlagern, eine Seite des Meilers hatte heute Nacht der Eber besetzt, der ihn seit dem letzten Herbst belästigte. Er hatte sich wie gewohnt in die Scheite und Äste eingegraben. Auf der anderen Seite des zentralen Scheithaufens waren die Anzeichen weiterer nächtlichen Besucher. Dem Loch im Mailer nach zu urteilen hatten sich mindestens zwei vielleicht auch drei Menschen hier verborgen, die er heute Morgen nicht bemerkt hatte. Spuren führten vom Meiler hinter seine Hütte und von dort in den Wald. Hier verlor sich die Spur.

Mit einer Handvoll Äste kehrte der Kohle zum Meiler zurück, er stellte einige der zentralen Scheite neu auf. Er griff nach einem dicken Ast, der völlig falsch lag. Von den nächtlichen Gästen achtlos in einem dichten Haufen zusammengeschoben.

Mit dem dicken Ast in der Hand richtet er sich langsam auf. Sein Kopf stieß an das halbfertige Dach aus Lehm und Zweigen. Er drückte seinen Hinterkopf gegen das Dach, fester und fester, bis sein Kopf durch die dünne Lehmdecke des Meilers brach. Er packte den Ast mit beiden Händen, brach ihn entzwei und schlug die beiden Hälften gegen die aufgestapelten Holzwände, trommelte gegen die beiden Wände, bis sie nachgaben und links und rechts von ihm zusammenbrachen.

Nach dem Ausbruch schien er ruhiger zu atmen, er schaute sich auf der verwüsteten Lichtung um und schüttelte den Kopf. Er sammelte den Teller mit seinem Frühstück ein, versorgte seine Tiere und belud den kleinen Wagen mit einer Auswahl von Äxten und Werkzeugen.

Wird fortgesetzt…

Der Kohler – 12

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Meilerbau

Esel und Ziege hatten eine unruhige Nacht hinter sich, der Kohler hatte sich gewälzt und gestöhnt und war schließlich noch vor dem Morgen aufgestanden. Jetzt tastete er sich ungeschickt durch die dunkle Hütte zur Tür und stieß sich unsanft den Kopf am Türstock. Der frühe Morgen war dunkel und eiskalt, der Weg zum Klohäuschen taufeucht und klamm. Endgültig wach von der Kälte, machte er sich mit Wasser, Äpfeln und Graupen ein Frühstück zurecht, dass er in den Herd stellte, um es warm zu machen. Während das leise blubberte, füllte er durch das kleine Fenster zum Anbau die Tröge von Esel und Ziege und warf den Hühnern eine Handvoll Graupen hin.

Mit einer dampfenden Schale in der Hand trat er schließlich wieder vor die Tür. Es war schon fast hell, aber die Sonne stand noch lange nicht über den Bäumen. Auch der neue Stapel Zweige und Äste, den sie gestern mitgebracht hatten, war wild umhergeworfen und der Zugang zum halbfertigen Meiler war reichlich zertreten, aber am Gatter schien sich nichts zu schaffen gemacht zu haben. Der Kohler zuckte mit den Achseln, stellte den Haferbrei zur Seite und begann auf seinem Pechstein einen kleinen Meiler zu errichten. Er lehnte sechs Scheite aufrecht aneinander und stapelte anschließend gespaltene Äste im Kreis darum auf. Die neigte er immer leicht nach innen, so dass sich nach einer Weile ein stumpfer eng geschichteter Holzkegel formte. Nach vorne ließ er eine etwa armdicke Lücke und platzierte an strategischen Stellen lange Äste, die bis nach innen zu den Anfangsscheiten reichten. Als er mit Höhe und Form des Pechmeilers zufrieden war, legte er sich einige frische Zweige zurecht und ging hinter seine Hütte. Hier war ein Haufen feuchter Lehm, von dem er Schaufel, um Schaufel nahm, um damit auf einer Schicht frischer Zweige einen dichten Lehmmantel auf dem kleinen Meiler aufzutragen.

Lehmbeschmiert setzte er sich zum Spaltklotz und stellte die Schale des zu kaltem Glibber erstarrten Brei zur Seite. Er nahm sein Waldmesser zur Hand und begann schmale Späne von einem Kiefernscheit zu hobeln.

***

Ennu und Bent waren seit dem Appell am Morgen unterwegs. Ihr Wagen, ihre Fracht also auch ihr Arsch, falls sie die Rekruten nicht wieder einfingen. Sie waren der Spur von der Pechsiedersiedlung bis zum großen Waldweg gefolgt und hatten sie dort verloren.

„Sollten wir bis zum Waldrand dem Weg folgen“ Ennu suchte vergeblich nach Fußabdrücken am Boden oder Mantelfetzen im Unterholz.

„Brauchst nicht im Wald nachzusehen,“ meinte Bent, „die Kinder kommen aus dem Dorf, dorthin fliehen sie auch zurück“.

„Aber die Eltern haben sie nie gesehen, wenn sie es bis dahin schaffen, sind sie weg“.

„Mag schon sein, ich wette mit dir, wir können sie beim Unterstand stellen“ Bent lief los.

Am Unterstand hatte der Zug gestern keine Pause eingelegt. Sie waren ein gutes Stück hinter dem Trupp gewesen und hatten nur hoffnungsvoll auf die gemütlichen Bänke schauen, können, während Klaas sie antrieb. Etwa drei Stunden, wie die Wagen fuhren und zwei Stunden mit straffem Schritt entfernt, wäre hier ein guter Ort für die frischgebackenen Deserteure, um eine Rast einzulegen.

Die Beiden liefen eine Weile still hintereinander her. Die Mitte des Waldweges war flach getreten, die Ränder von den schweren Rädern der Wagen zerwühlt, die sie gestern hier durchgeführt hatten. Der Weg wurde trockener und steiniger, je weiter sie zurückkamen.

„Was meinst, werden sie die drei laufen lassen, wenn wir sie nicht finden.“ Bent schloss auf.

„Ich hoffe nicht“ Ennu keuchte und wich einem Schlagloch aus „die Kräftige mit den dunklen Locken kennt sich mit Tieren aus, die gibt einen guten Preis. Ein Preis den wir beide ersetzen müssen.“

„Ja, wir und die anderen in der Rotte, der größte Teil aber bleibt beim Rottmeister“

„Was soll daran gut sein? Wir sind den ganzen Sommer mit Klaas auf Reise. Hast du sein Gesicht gesehen, als er sich über Anderklass hergemacht hat.“ Ennu spuckte aus.

„Kannst ja in Viaris Rotte wechseln…“

„Lieber von Klaas gefickt werden, als meine Eier abgeben“.

Bent blieb stehen: „Weiß nicht, ob die Kleine aus dem Dorf das genau so gesehen hat. Wir sind da, mach langsam“

Der Boden des Unterstandes und die Lichtung davor war zertreten und unordentlich. Der Eisenkäfig hing noch immer offen, das Feuer in der Feuerstelle war ausgegangen und nur noch einige halb verbrannte Scheite und der umgeworfene Kessel zeugten von dem Besuch der Truppe gestern.

„Weder Hund noch Katz hier“ Bent stocherte in den Kohlen, trat gegen den Holzhaufen und schmiss die Deckel der Kohlentruhen auf.

Ennu hatte wieder Atem gefunden. Er saß auf einem der Holzstümpfe, die statt Stühlen, um das Feuer angeordnet waren: „Lass uns einen Moment die Ruhe genießen“ Er kramte in seinem Beutel nach einer Knasterpfeife. „Werden wir lange keine mehr haben“ er zündete die Pfeife an. Die Hanfsamen knackten und knisterten, als das grobe Hanf und Tabak Gemisch glühte.

„Wird unsre letzte Ruhe werden, wenn wir die drei nicht finden. Wird noch schneller vorbei sein, wenn uns ein Offizier beim Quarzen im Wald findet“

„Entspann dich, das schärft meinen Scharfsinn, ich kann dann besser denken.“ Ennu kicherte, Bent schnaubte: „Ich denke wir sollten den kleinen Weg dort entlang gehen und schauen, wen wir dort finden“

„Ja, hier geht ein Weg ab! Das muss zur Hütte von dem Köhler gehen, der hier im Wald arbeitet.“

Bent schaute Ennu zweifelnd an: „Woher weißt du das denn?“

Ennu kicherte noch einmal und salutierte mit der Pfeife.

„Dann schauen wir doch bei ihm vorbei, Vielleicht hat er die Kätzchen ja gesehen

Der Morgen war schon fast Mittag geworden und hatte den Tau und die Kälte abgeschüttelt. Das Sonnenlicht blitzte durch das frühe Blattwerk der hohen Bäume, zeichnete Schatten und Licht in Mustern vor den beiden auf den Waldboden und spiegelte sich in den letzten Schneeresten.

Ennu und Bent waren dem kleinen Weg vom Unterstand zur Hütte des Köhlers gefolgt, die beiden empfanden keine besondere Wertschätzung für die Lichtspiele am Boden und auch nicht für die Ausbesserungsarbeiten am wintergeschädigten Weg, sie nahmen das wahrscheinlich gar nicht wahr, leider.

Aber sie nahmen den Kohler war. Zuerst trat Ennu auf die Lichtung des Kohlerhofes und blieb unwillkürlich stehen. Das Licht der Vormittagssonne strahlte gerade über die Baumwipfel aus der Richtung, aus der er gerade gekommen war. Das Licht fiel auf die hünenhafte lehmverschmierte Gestalt im nordwestlichen Ende der Lichtung. Die saß schräg vor einer Hütte zwischen zwei unterschiedlich großen Erdhügeln und lehnte an einem Baumstumpf. Mit einem armlangen Messer schabte der Mann lange Späne von einem dicken Holzscheit.

Bent rempelte ihn von hinten an: „Pass doch auf“ fluchte er, aber blieb auch stehen, als der Glatzkopf seinen Kopf zu ihm wandte. Er stieß Ennu nach links, machte selber ein paar Schritte nach rechts und zog sein Schwert halb.

Wird fortgesetzt…

Der Kohler – 11

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Der Sturz

Jannis wurde klar, dass er stürzte. Gerade als er den Mund aufriss, um erschrocken zu schreien, schlugen ihm Zweige ins Gesicht, er ruderte wild mit den Armen, bekam einen dünnen Ast zu fassen. Die raue Borke grub sich in seine Handfläche, als er panisch zu packte. Ein Ruck ging durch seine Schulter, sein Kopf schlug nach hinten, dann überholten ihn seine Beine und der neuerliche Ruck ließ ihn den Halt verlieren. Er stürzte jetzt immerhin mehr oder weniger mit den Füßen voran weiter, während dünne Zweige und dürre Äste an ihm rissen. Er schlug mit einem Fuß auf einem dickeren Ast auf, sein linkes Knie knirschte und er wurde Gesicht voran gegen den Stamm geschleudert. Seine Nase gab nach und seine Zähne gruben sich in seine Lippen. Wie ein Blitz durchfuhr ihn in der Dunkelheit der Aufprall, aber er klammerte sich an den Stamm, rutsche den Stamm entlang ein Stück den Baum herunter. Dabei ließ er reichlich Kleider und Haut dran hängen. Die nächste Astgabel stoppte ihn. Der Baumstamm quetschte ihm die Hoden, der Ast schlug ihm mit seinem ganzen Gewicht an das Steißbein. Der doppelte Schock raubte ihm den Atem. Er bekam tatsächlich keine Luft mehr. Sein Adamsapfel zuckte trocken auf und ab, als sich sein Zwerchfell verkrampfte.

Die Sterne, die er seit dem Aufprall vor Augen sah, wurden größer, liefen ineinander und er verlor das Bewusstsein.

Am Fuß der Klippe sammelte sich im Frühling das Schmelzwasser, hier im sumpfigen das ganze Jahr über feuchten Bereich des Tiefwaldes setzten sich Birken und Schwarzerlen gegen Eschen und Eichen durch. Am tiefsten und feuchtesten Ort, direkt an der Klippe, hatten sich aber einige Sumpfeiben gehalten. Sie standen fast im Kreis um den kleinen Tümpel, am Fuß des Felsens und über ihnen thronte ein uraltes mächtiges Exemplar ihrer Gattung. Die Hälfte der Wurzeln hatte sie in den Felsen gekrallt und die anderen im torfigen Wasser versenkt, der breite Wurzelstock streckte sich über mehrere Meter im Halbkreis in das Wasser, entlang der Klippe und füllte fast ganz eine Höhle im Felsen. Ihre kargen Äste hatten Jannis Sturz unsanft aufgefangen und er glitt langsam an ihrem rauhen Stamm herab.

Ein zweiter Körper stürzte die Klippe herab, weiter im Bogen von kräftigen Armen in die Nacht geworfen, fiel er vorbei an ihren Ästen. Marie fiel, zerbrochen und ohnmächtig, seitdem ihr Hinterkopf auf den harten Boden des Gasthofes geprallt war, geräuschlos, bis sie in das torfige Wasser klatschte. In ihrer zerrissenen Tunika sammelte sich etwas Luft und einen Moment lang trieb sie im Wasser. Dann ging sie langsam unter und sie versank im Tümpel, bis sie auf dem Wurzelgeflecht zu liegen kam. Das kalte trübe Wasser wusch das Blut aus ihren Wunden. Es füllte sanft Mund, Nase und Lungen, verdrängte die Luft, stoppte ihr Herz.

Wird fortgesetzt…

Der Kohler – 10

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Die Rußhütte

Johann hockte missmutig im Gebüsch hinter seiner Hütte. Der Eintopf, vielmehr sein durchschlagende Wirkung, hatte ihn aus dem Schlaf gerissen. An den Weg zur Latrine war nicht zu denken gewesen, so war er nur wenige Schritte über den schmalen Weg hinter den Hütten in den Wald gehastet. Während die Krämpfe langsam abflauten und der Schweiß auf seiner Stirn langsam trocknete, versuchte er im dunklen die Flora um sich zu herum zu identifizieren. Hauptsache groß sollten die Blätter sein. Er hatte gerade immerhin einen vielversprechenden Farn ertastet, als er die grobschlächtige Gestalt von Klaas auf dem Weg sah. Die Silhouette war im ausgehenden Feuer deutlich zu erkennen und er sah, dass er das Mädchen über der Schulter trug.

Als Johann auf den Weg trat, konnte er noch beobachten, wie Klaas die Tür zur steinernen Hütte an der Klippe aufstieß und hineintrat. Unschlüssig ging er langsam einige Schritte in die Richtung, er blieb stehen, drehte sich halb um. Seine Schultern sanken herab und er lehnte sich gegen einen Baum. So wartete er ein paar Minuten schaute in das Dunkel hinter Klippe und wusste nicht worauf er eigentlich wartete.

Bent hatte den kleinen Steuereintreiber schon aus einiger Entfernung am Baumstamm lehnen sehen. Mit einem leichten Grinsen ging er leise und gleichmäßig weiter. Johann bemerkte ihn erst, als der andere schon fast bei ihm stand. Er zuckte zurück und stieß sich den Ellenbogen am Baumstamm an, er saugte schmerzerfüllt Luft ein. Bent stand vor ihm, den Knüppel drohend erhoben. Dann grinste er: „Entschuldigt der Herr, hab euch erst nicht erkannt, dachte erst ihr wärt ein Eindringling“

Johann verzog schmerzlich das Gesicht: „Nichts passiert, nichts passiert“, beschwichtigte er. „Das hätte ja ordentlich schief gehen können“.

Bent nickte nur langsam mit dem Kopf und brummte zustimmend.

„Klaas ist schon bei der Rußhütte“ sagte Johann, er nahm seinen Mut beisammen „Ich frage mich wozu er das Mädchen dorthin mitgenommen hat?“

Bent sah ihn scharf an: „Welches Mädchen?“

„Die Verletzte, Marie glaub ich“ er stockte kurz „ist das denn so ordnungsgemäß?“

Bent war kurz still, dann zuckte er mit den Schultern und hb herausfordernd den Kopf: „Komm doch mit und schau zu“ sagte er.

Johann schüttelte den Kopf

„Nein? Na dann geht’s am besten zurück in’s Bett, nicht dass bei der Patrouille nachher doch noch ein Unfall geschieht.“ Erschaute Johann abwartend an.

Der drehte sich um und ging zu seiner Hütte. Bent wartete ein paar Augenblicke, dann rollte er mit den Augen und machte sich auf den Weg zu Rußhütte, um nachzusehen, was sein Rottmeister Klaas anstellte, er konnte sich allerdings nur zu gut vorstellen, was das war.

Johann stand in seiner dunklen Hütte. „Ich frage mich wozu er das Mädchen mitgenommen hat“ murmelte er. So sehr er sich vor der Vorstellung ekelte, was sich gerade in der Hütte an der Klippe abspielte, ekelte er sich sogar noch mehr vor seiner eigenen Feigheit.

Jedesmal wenn er sich einem der Soldaten entgegenstellte, wurde er zu einem stammelnden Wicht. „Aber ich muss doch irgendetwas tun“ er schlug mit der Faust nach der Holztür, aber machte im letzten Moment die Faust auf, nur seine Fingerspitzen schlugen schmerzhaft gegen das raue Holz.

Er saugte an einem Spreißel, den er sich eingezogen hatte. Dann griff er seine Lederkladde und steckte seinen Kopf vorsichtig durch die Tür. Sie Luft schien rein zu sein also schlich ungeschickt und sich immer wieder schuldbewusst umschauen aus der Hütte und zu den Wagen mit den Rekruten. Dort angekommen löste er den Riegel außen am ersten Wagen, den mit den Talgedinger Rekruten. Die Jungen und Mädchen im Wagen waren wach und sie schauten ihn misstrauisch an. Einer von ihnen schien noch etwas sagen zu wollen, aber Johanns Mut war aufgebraucht und er huschte geduckt zu seinem gemütlichen ältlichen Wallach, der stand etwas einsam ein paar Meter abseits der anderen Pferde. Er band ihn immer ein paar Meter weg an, weil er überzeugt war, dass ihn die Soldantepferde nicht leiden konnten.

***

Jannis saß unwissentlich unweit der Stelle an der sich Johann erleichtert hatte. Er war wütend auf die anderen, aber noch viel wütender war er auf Klaas. Trotzdem nahm er sich hier ein paar Minuten, um das Lager in Augenschein zu nehmen. Er konnte keine Bewegungen erkennen und er sah auch keine Wachen am Feuer. Oder auf dem Weg. Aus der Rußhütte drang nur bei der Tür ein leichter Lichtschein, sonst kam das einzige unzuverlässige Licht vom Mond und von der dunkler werdenden Glut des Kochfeuers.

Ihm war kalt und die Frühsommernacht ließ seinen Atem beschlagen, der Wald lag still nur ein fauliger Geruch stieg ihm ab und an in die Nase.

Vorsichtig und so gut als möglich im Schatten der Bäume schlich er auf die Klippe zu. Er macht einen Bogen am Waldrand entlang und ging nicht direkt auf die Hütte zu. Dadurch kam er von vorne auf die Tür zu, die eine Spalt offen stand, so dass er einen Teil der linken Innenwand der Hütte sehen konnte.

Drinnen brannte eine Lampe, an der verrussten Wand hingen ein Wams und eine Bruche und auf dem Boden im Dreck lag zusammengeknüllt die Kittelschürze von Marie. Jannis sah rot, er packte einen am Boden liegende Ast und stürmte zur Tür, stieß sie mit der Schulter heftig auf. Ein Blick reichte, schmutziger Tisch, darauf Marie und davor die nackten Beine und der nackte Arsch von Klaas, der grunzend über sie gebeugt war. Er schlug einmal mit dem Ast zu, traf den Rücken und lockte ein quieken hervor, holte dann weiter aus und ließ den Ast mit aller Kraft auf den Hintern heruntersausen.

Bent hatte in der Ecke hier der Tür gestanden, noch unschlüssig, ob er mitmachen wollte oder noch einmal nach den Rekruten sehen und so tun sollte, als hätte er nix mitbekommen.

Die Tür traf ihn schmerzhaft an Schulter und Arm. Er stieß sie weg und sah wie einer der Jungen gerade einen morschen Ast auf Klaas Hintern zerschlug, der quiekte lautstark.

Bent packte den Jungen an der Schulter und zog ihn zurück. Janis wurde nach hinten gerissen und schlug wild um sich, ein Ellenbogen nahm Kontakt mit einem Schädel auf und der Griff lockerte sich. Er riss sich los und sprang erneut auf den halbnackten Klaas, klammerte sich an seinem Hals fest und drückte die Arme so fest zusammen wie er konnte.

Klaas warf sich nach links und rechts gegen die Wand der Hütte und versuchte seinen Angreifer los zu werden, aber der ließ nicht locker. Gemeinsam taumelten sie aus der Hütte in Richtung de Klippe. Immer mehr dunkle Flecken sammelten sich und schoben sich vor sein Sichtfeld, das Blut pochte laut in seinem Kopf. Er schaffte schließlich hinter und über sich zu greifen und bekam das Wams des Jungen zu packen. Er zog so fest er konnte und warf sich dabei nach vorne. Der Rand der Klippe und die Finsternis dahinter rasten auf in zu.

Bent hätte nicht untätig dabei gestanden, aber er hatte auch keinen Ansatzpunkt gefunden, wie er hätte eingreifen können. Als Klaas den Jungen an der Klippe abwarf, packte er ihn aber bevor er dem Jungen kopfüber in die Dunkelheit folgen konnte.

Schweratmend lagen sie eine Weile oben an der Klippe, dann sagte Klaas.

„Wir müssen das Mädchen los werden“

Wird fortgesetzt…

Der Kohler – 9

This entry is part 9 of 25 in the series Der Kohler

Vor der Flucht

Mit großen Schritten hatte Klaas die beiden Pferde, seins und Haralds, zu den anderen gezerrt. Dort hatte er beide schroff aber sorgfältig abgesattelt, abgerieben und gefüttert. Anschließend pfiff er den Rest seiner Truppe zusammen und ließ zwei von ihnen eine Grube ausheben, während er mit den übrigen in den Wald brach und trockene Äste einsammelte. Beim Versorgen der Pferde und Feuerholz sammeln machte seine Rotte einen großen Bogen um ihn. Das war für sie einerseits gesünder und für Klaas gerade recht. Er hing immer noch der Ungerechtigkeit nach, die ihm seit dem Morgen widerfuhr. Nachdem er den Stapel Holz beim Feuer hingepfeffert hatte, schob er den dort sitzenden Wanja beiseite, griff sich eine Schüssel und stach wütend mit dem Löffel in den dicken Eintopf.

Viari holte schon Luft, um ihn wieder zusammen zu scheißen, aber Wanja rollte grinsend die Augen und winkte mit dem kleinen Finger ab. Nach und nach versorgten sich auch die übrigen Nachzügler aus Klaas Rotte mit Eintopf und es kehrte gefräßige Stille ein.

Unvermittelt hob Klaas lächelnd den Kopf: „Wir machen heut gern die Dritte Wache“

Viari schaute ihn mit aufgerissenen Augen an: „Die letzte? Freiwillig?“

„Echt Klaas, spinnst du?“ brach es aus Anderklaas heraus.

„Halt die Schnauze, wir waren am längsten Unterwegs, da möcht ich als erstes Schlafen“ herrschte Klaas zurück.

„Und wer von uns macht die Wache?“ fragte ihn Bent.

„Schön dass du fragst“ Klaas fletschte die Zähne „Wir beide machen die Hundswache und Anderklaas kann sich mit Ennu den Sonnenaufgang ansehen“

Dass ihr Rottführer mitwachen würde dämpfte den Widerwillen ein wenig und recht kurz darauf zog sich der Trupp zum Schlafen zurück.

***

Johan war nervös, als er zu Bett ging. Es war nicht die Angst vor dem Hauptmann. Die war sicherlich da, aber er war es seit seiner Jugend gewohnt, von den starken Kerlen bedroht und gequält zu werden, sogar Angst verliert ihren Schrecken, wenn sie Routine wird.

Ein bisschen rumgeschubse und Hohn jetzt, dann eine Tirade von einem Hierarchen in Kaiserach, nicht schön, aber Menschen, die ein Strafmaß sauber ausrechnen können, sind seltener, als die Grobiane, die es verteilen. Der Kaiser wusste das, genauso wie er wusste dass es die Buchhalter waren, die seine Kriegsmaschine schmierten.

Nein, er hatte keine Angst davor, als Verräter bestraft zu werden, nur weil er ein paar Familien vorgewarnt hatte. Er war nervös, weil es dieses Mal einfach nicht genug war. Wenigstens auf der Reise sollten die Kinder noch sicher sein. Aber er hatte sich nicht getraut, auf dem Tavernenplatz einzuschreiten und nun lag ein Mädchen im Koma.

Er fing an im Kopf einige alte Bilanzen durchzugehen, im Soll gegen Haben lag eine Ausgeglichenheit, die ihn langsam in den Schlaf driften ließ.

***

Klaas wurde wach, als Bent von Lethe am Bein geschüttelt wurde und dadurch mismutig wach wurde.

„Klar schüttelt sie dein Bein“ flüsterte er grinsend

Bent grunzte nur unwillig

„Wenn sie an meinem schüttelt, hätte sie eine große Überraschung erlebt“

Bent rollte hörbar mit den Augen: „Einmal was anderes von dir“

Von draußen schwebte noch ein geflüstertes. „Fick dich selber Klaas“

Der sprang wütend auf, „Von wegen“ grunzte er. Er besann sich der Schlafenden bevor er weiter fluchte und ging leise grummelnd aus der Hütte.

Er pisste lautstark gegen die Hüttenwand und wiederholte noch einmal „von wegen“ dann wartete er grinsend auf Bent.

„Du fängst an der Klippe an, dann drehst du eine Runde um das Lager“ sagte er und zeigte mit den Armen die Runde an, die Bent laufen sollte

„Was ist mit unseren Rekruten“ fragte Bent

„Um die kümmere ich mich, mach die Runde anders herum. Wir treffen uns nach der Runde an der Rußhütte“

Bent zuckte die Achseln, er war eigentlich ganz froh, nicht mit Klaas laufen zu müssen und begann außerhalb des Feuerscheins um das Lager zu laufen.

Klaas schaute ihm einen Moment hinterher und merkte sich die Richtung, in die er losgelaufen war.

Dann setzte er sich auch in Bewegung.

Er ging auf geradem Weg zu den Wägen mit den Rekruten, warf einen kurzen Blick in jeden und fand nur – wenn auch unruhig – schlafende Jugendliche vor.

Zum Schluss ging er zum Wagen in dem seine Rekrutin lag. Sie war noch nicht wach geworden, lag immer noch genau so, wie sie abgelegt worden war, im vorderen Drittel.

Jemand hatte einen Mantel über sie und ein paar Fetzen unter ihren Kopf gelegt. Die anderen hatten sich im Rest des Wagens zusammengerollt.

Die Tür des Wagens war mit wenigen Handgriffen offen. Er stieg hinein, das Schaukeln weckte die übrigen Insassen, zumindest einige von ihnen. Er hielt sich den Finger an die Lippen.

“Ich kümmere mich um sie, Hütte ist wärmer“ flüsterte er

Jannis rappelte sich auf: „Lass sie in Ruhe“ flüsterte er feindselig. Hob dann an den Satz lauter zu wiederholen, als er merkte, dass er ja gar nicht flüstern musste.

Klaas schlug mit seinem Knüppel Jannis Schuh: „Halt die Klappe oder ich stopf sie dir“

Dann schaute er sich in der Runde um: „Noch einer der nicht will, dass ich ihr helfe?“

Er lud sie auf seine Schulter, zog die Tür ins Schloss, verriegelte sie aber nur mit einer Hand.

Dann ging er sorgfältig den Weg, den Bent schon gerade patrouilliert hatte, zur Rußhütte.

Wird fortgesetzt…

Der Kohler – 8

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Gewissen und Steuern

Matjas war überzeugt, dass es eine Falle war. Der Steuereintreiber hatte sich nachts zum Wagen geschlichen, kurz nachdem Klaas die verletzte Marie geholt hatte. Er hielt sich einen Finger an Lippen, dann löste er den Riegel. Jannis hatte angehoben etwas zu sagen, aber der kleine Mann mit der Halbglatze hatte den Kopf geschüttelt und war geduckt weggelaufen.

Jannis, der schließlich den ganzen Tag nur faul im Wagen gelegen hatte, war sofort aufgestanden: „Los, los“, flüsterte er, „wir müssen Marie helfen.“ Er öffnete vorsichtig das Gitter und setze sich an den Rand des Wagens, dann ließ er sich leise herunter.

„Das schaffen wir nie“ Ana stand unschlüssig an der Tür.

„Ihr spinnt wohl! Wenn ihr abhaut, lassen sie es an uns aus“. Matjas hielt sie am Arm fest.

„Dann komm halt mit“ Haagen stellte sich zu Ana

„Die werden euch jagen im Wald und eure Eltern verlieren den Hof“ Matjas wurde lauter.

„Schh, sei leise“ Tjark war aufgestanden, er war etwas größer als Matjas und hob die Faust, als Matjas den Mund wieder aufmachte. Da hielt er lieber den Mund

„Viel Glück ihr beide, lauft schnell! Falls sie was merken lenke ich sie ab“

Ana nickte ihm zu, Haagen nahm sie an der Hand und die beiden stiegen vorsichtig vom Wagen nach unten. Jannis hatte an der Ecke des Gitterwagens gewartet, er hatte eine Hand an der Geschirrstange und die Schulter am Wagen. Er versuchte die Dunkelheit auf der Lichtung zu durchdringen, aber nur die Reste des Kochfeuers warfen einen leichten glutroten Schein. Ana duckte sich und schaute zum Waldrand. Haagen hockte zwischen ihnen.

„Wenn wir uns beeilen, können wir direkt am Feuer vorbei zum Siedehaus schleichen, die Wachen sind alle bei den Hütten“ Er schaute über die Schulter nach hinten.

Haagen schüttelte den Kopf: „Am Waldrand entlang! Wenn sie uns entdecken können wir in das Unterholz verschwinden“

Ana nahm ihnen die Entscheidung ab, sie zog Hagen an der Hand in Richtung des Waldrandes. Jannis folgte ihnen.

Sie waren unentdeckt bis zur Einmündung des Weges auf die Lichtung gelangt. Aus der Hütte, die am dichtesten stand war lautes Schnarchen zu hören. Die drei hatten sich hinter einem Busch versteckt.

„Wo sind die Wachen? fragte Ana.

„Das ist die Gelegenheit, um Marie zu holen. Es ist nur einer von ihnen bei ihr.“ Sagte Janis

„Und wenn sie alle bei ihr sind?“

„Dann müssen wir sie erst recht retten!“

Jannis schaute Ana fragend an. „ich kann das nicht, ich schaff das nicht“ sie wandte sich in Richtung des Waldweges, nach Hause.

Haagen schüttelte auch den Kopf: „Lass uns einfach abhauen, Mann komm mit“

Jannis stand auf: „Das kann ich nicht“ Er begann geduckt hinter den Hütten entlang zu schleichen.

Die beiden anderen hasteten den dunklen Waldweg entlang.

Wird fortgesetzt…

Der Kohler – 7

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Auf dem Weg

Johan schaute angestrengt gerade aus. Er ritt am Beginn der Karawane, eine Pferdelänge vor Hauptmann Uskar und Truppmeisterin Viari, dessen zweiter Stellvertreterin. Die beiden hatten sich noch eine Weile unter dem Vorwand zu plaudern über ihn lustig gemacht, hatten aber schließlich, da er sich nur höchstens einsilbig äußerte, aufgegeben. Sie unterhielte sich jetzt in einem für ihn als Zivilsten fast unverständlichen Kauderwelsch, über Truppenbewegungen und was sie vom Sommer erwarteten. Beide schienen nicht besonders glücklich über die Aussicht auf Frontdienst, aber auch ausgesprochen gelangweilt von der Steuereskorte zu sein. Johan tat sein möglichstes sie auszublenden. Der Hauptmann machte ihm zwar schreckliche Angst, aber er löste bei ihm nicht den gleichen instinktiven Abscheu aus, wie Harald und Klaas, die ihn die letzten Tage fast ununterbrochen begleitet hatten. Uskar machte wenigstens alles was er tat mit einer perfiden aber eiskalten Absicht. Das vermittelte ihm die Illusion kontrollierbar zu sein, während Harald und Klaas sich mit einer gemeinen Freude an Gewalt und beiläufiger Brutalität ein tieferes Bedürfnis zu erfüllen schienen. Haralds Rang spiegelte dabei nicht nur seine höhere Intelligenz, sondern auch seine größere Beherrschtheit wieder. Bei Klaas war sich Johan sicher, dass der wie der Skorpion in der Fabel den Fuchs nicht nur stechen, sondern dabei auch unablässig kichern würde.

Hinter den beiden Offizieren kam der erste Wagen. Im Geschirr eingespannt waren zwölf Jugendliche aus Greifenstedt. Sie liefen bereits in einem passablen Gleichschritt, kräftesparender und flüssiger als der gemischte Trupp des zweiten Wagens. Die hier kamen nur zum Teil aus Greifenstedt sondern waren auch auf dem Weg eingesammelt worden, sie liefen tatsächlich erst seit heute Morgen zusammen. Obwohl sie sich schon zwei Tage an die Karren gewöhnen konnten, hatten sie noch keinen gemeinsamen Rhythmus gefunden. Am dritten Wagen waren nur zehn Plätze besetzt, er rollte mit einigem Abstand hinter den beiden anderen her und die drei Soldaten, die jeden Wagen direkt begleiteten, mussten dieser Gruppe am häufigsten nachhelfen.

Hinter jedem Wagen liefen gemütlich zwei Ochsen. Sie hatten ihre Aufgabe auf dem Herweg erfüllt und konnten sich nun mit Ochsendingen befassen.

Harald und Klaas ritten am Schluss der Kolonne, in der Arschlochposition, und das war Klaas Schuld, beziehungsweise die Strafe für sein Versagen heute Morgen im Hof. Klaas hatte bis zur ersten Rast auf der Lichtung am Waldrand missmutig geschwiegen und nur ab und zu die Kratzer in seinem Gesicht betatscht oder an dem Verband an seinem Ohr gepokelt. Die Pause war kurz gewesen und das kleine Bächlein bereits völlig zertrampelt und schlammig. Dennoch hatte er sich leider ausreichend erholt, um seinen Missmut nun auch grummelnd laut zu machen. Er pfiff erst die drei Männer seines Trupps zusammen, die dem Wagen zugeteilt waren, und schnauzte sie wegen des langsamen Tempos an, blaffte die Jugendlichen im Geschirr an und rüttelte an den Gitterstäben des Karrens. Der Junge im Wagen war erschrocken bis an das gegenüberliegende Gitter zurückgewichen, Das Mädchen hatte sich immer noch nicht gerührt, atmete aber auch noch. Klaas musterte sie eine Weile abschätzig.

„Ich hab für die Kleine ja bezahlt“ sagte er zu Harald, der eine Wasserflaschen in den Käfig reichte. „Für den Schaden den du ang’richt hast du Tölp“, brummte Harald. „Und sie ist doch auch für nichts gut, oder? Ich mein, ich bin schon ein ganzer Kerl, da knackt halt was, wenn ich drüber rutsche“ Klaas lachte gehässig „Wäre ja nicht das erste Mal“

„Hast für‘n Bock bezahlt, nicht für’s Mädel“ Harald schüttelte den Kopf „Schau, dass Pferd Wasser bekommn“ Klaas hatte erst einmal seine Arbeit gemacht, vielmehr seinen Trupp genötigt, sie zu erledigen. Die kurze Rast war eine willkommene Pause für Haralds Ohren, aber jetzt ging es wieder weiter und die beiden ritten am Ende des Zuges. Im Staub und einem dauernden Redefluss von all den Dingen, die Klaas im Allgemeinen normalerweise für sein Geld bekam – von Frauen im Besonderen.

Der letzte Wagen und der dazugehörige Trupp bekam keine weiter Pause. Sie quälten sich langsam und halbwegs stetig voran, bis sie in der beginnenden Abenddämmerung zu einer kleinen Blockhüttensiedlung kamen. Drei Hütten standen rechts vom Weg in einem Halbkreis auf einer flachen Lichtung. Der Boden der Lichtung war dunkel, fast schon schwarz und es wuchs kein Grashalm auf der freien Fläche. Der Grund wurde dunkler, je weiter er vom Waldweg entfernt war, am dunkelsten war er gegenüber am anderen Ende Lichtung. Hier stand ein gedrungenes steinernes Gebäude mit einem schmalen Turm oder überbreiten Schornstein.

Die ersten beiden Wägen waren bereits abgespannt, die Jugendlichen saßen erschöpft auf dem Boden. Im Zentrum der Lichtung brannte ein Feuer unter einem großen Topf, der an einem metallenen Dreibein hing.

„Haben es die werten Herren und Damen endlich geschafft“ begrüßte sie Viari. „Das Essen ist gleich fertig, also seht zu, dass ihr Wasser holt und eure Pferde versorgt, wenn ihr warm essen wollt, was Wanja und Lar heute kochen“ Sie drehte sich um: „Ach und ihr bringt jeder noch einen Armvoll Holz zum Feuer. Sonst gibt es auch nix.“

„Hör mal“ bauschte sich Klaas auf, „ihr seid doch schon lang genug hier, warum habt ihr denn kein Holz geholt?“

„Lass“ Harald fasste ihn am Arm

„Wir fressen den ganzen Tag ihren Staub und die Weiber können grade mal kochen, das seh ich nicht ein, denen Holz her zu schleifen“

„Dein Trupp hat außerdem Latrinendienst Klaas. Da drüben am Waldrand ist glaube ich eine gute Stelle“

Klaas wandte sich an Harald: „Das muss ich mir doch von der nicht sagen lassen“ Harald schüttelte den Kopf. Klaas grinste Viari an: „Siehst du..“

„Von mir“ unterbrach ihn Harald

„Was“ stotterte Klaas.

„Von mir lässt dir‘s sagen“ Harald saß ab.

Klaas stieg fluchend vom Pferd, Harald reichte ihm seine Zügel: „Kümmerst dich drum“

Harald ging mit ihr in Richtung des Lagerfeuers. „Die linke Hütte ist für Uskar und uns beide, in der Mitte ist mein Trupp und rechts kann sich Klaas einnisten.“ Sie zeigte die Hütten mit der Hand an.

„Ist mit der Großen?“

„Das ist eine Räucherhütte oder so etwas, stinkt widerlich und ist schmutzig“ sie zeigte ihm einen rußgeschwärzten Ärmel.

„Pechsieder, Feinruß“

Viari schaute ihn fragend an.

„Pechsieder leben hier Sommer, machen Ruß für Tinte, Feuer in der Hütte“

Viari brauchte einen einen Moment, bis sie das übersetzt und die fehlenden Worte ersetzt hatte, dann nickte sie.

„Danke“ sagte sie.

„Wofür?“

„Dass du meinen Befehl nicht widerrufen hast“

„Befehl ist Befehl, Fähnrich Rottmeister, Rottmeister gehorcht“

„Klaas ist widerspenstig genug, gerade wenn ich die Befehle gebe“

„Musst du klar kommen, braucht kein Schwanz für Befehle.“

„Ich brauch keinen Schwanz für Eier meinst du“

Sie waren bis zum Kochfeuer gekommen und der Koch hatte die letzten Worte gehört.

„Jeder weiß unsere Fähnrich hat die härtesten Eier“ Drehte er sich zu beiden um.

„Und auch nen härteren Schwanz als du, Wanja.“ rief die narbige Kriegerin, die neben ihm Wurzeln schnitt.

„Seit wann, schöne Lethe, kannst du Schwänze beurteilen.“

Die beiden flachsten noch eine Weile hin und her, bis Klaas missmutig fluchend und einen Haufen Äste auf den Stapel beim Feuer warf, sich eine Schale griff und lautstark zu essen begann.

***

Der Kohler – 6

This entry is part 6 of 25 in the series Der Kohler

Im Tiefwald

Der Kohler hatte zwei Eimer mit Kies gefüllt, die schleppte er den schmalen Weg entlang und füllte immer wieder einen Teil davon in die tiefsten Matschlöcher auf seinem Weg. Der Esel leistete ihm Gesellschaft. Er stand jedes Mal, wenn der Kohler ein Loch gefunden hatte, daneben und wartete geduldig, während der Kohler einen Eimer absetzte, das Loch aus dem anderen füllte und die Steine zum Schluss mit seinen großen Füßen feststampfte. Er wartete auch geduldig während der Kohler die schweren Eimer beide wieder aufnahm und den Weg weiterlief. Dann folgte der Esel dem Kohler wieder unauffällig und unbeladen.

Die beiden erreichten die Hütte ein kleines Stück nach dem Mittag, aber ohne eine Pause zu machen, ging der Kohler in die Hütte und kam mit den beiden Astäxten, seinem Waldmesser und einem Seilbündel beladen wieder heraus. Das alles lud er auf den Esel, dann hielt er einen Augenblick inne, sah sich vergeblich nach der Ziege um und versorgte sich und den Esel noch mit Wasser, bevor sich die beiden auf den Weg machten.

Kleine tiefliegende Augen beobachteten den Esel und den Kohler bei diesen Unterfangen.

Der Tiefwald war ein kleines Vorplateau in Richtung Greifenstedt, eigentlich nah bei den beiden Gedingen. Man erreichte es jedoch nur durch den Wald, da der Berg vorher scharf abbrach, zerklüftete und nicht so sanft anstieg wie am Weg entlang. Da der Tiefwald schlecht zu erreichen war, wurde hier lange wenig Holz geschlagen. Die Ambition der neuen Grafen verlangte nun aber nach Bauten, die ihrer Stellung ebenbürtig war und dazu sollten die lange vergessenen Eichen und Eschen die nötigen Balken und Bretter liefern.

Der Kohler sollte die frisch geschlagenen Baumriesen für den Abtransport vorbereiten, die abgeschlagenen Äste würden nächstes Jahr seinen Meiler füttern. Das feuchte Laubwerk schon beim nächsten Kohlbrand als Gerüst und Dämmschicht unter dem Löschdach dienen. Es war gleichzeitig Recht und Pflicht des Kohlers, das Schlagholz zu säubern und so festgelegt im Kohlerbrief, der ihm auch die Nutzung der Hütte, einen festen Eigenschlag und das Stellen von Fallen zudingte.

Der Kohler war etwas schneller gelaufen als gestern, auch wenn es der Weg kaum zuließ und sich der kleine graue Esel redlich mühen musste, mit ihm Schritt zu halten. Und kaum waren die beiden am ersten geschlagenen Baum angelangt, machte sich der Kohler mit den beiden Astäxten an sein Werk.

Die Äxte sind kurzstielig, kopflastig und schwer. Die Klinge ist fast gerade und sehr weit nach unten gezogen. Sie ist schräg und versetzt zum Griff geschmiedet. Dadurch kann der Kohler gerade Schläge führen, die dicht am Stamm und gegen den Wuchs die Äste abtrennen, ohne dass er mit den Knöcheln an den Stamm schrammt. Mit einer Axt in jeder Hand attackierte er die Äste mit heftigen Schlägen. Erst nachdem er den ersten Stamm fast geschoren hatte, hielt er schwer atmend inne. Die linke Axt hatte sich in einem dicken Knoten verfangen, dabei etwas gedreht und die raue Borke hatte die Haut der vorderen Knöchel von kleinem Finger und Ringfinger gerissen.

Er presste die blutenden Finger an seinen Bauch, der Schweiß lief ihm von der Stirn in den Bart, tropfte vor ihm auf den Baumstamm, als er sich langsam und mit verzerrtem Gesicht nach vorne beugte. So blieb er eine Weile gekrümmt stehen, bis der Esel ihn mit dem Kopf anstieß. Der Kohler ließ sich langsam auf den nassen schlammigen Boden sinken. Der Esel drängte sich mit der Seite an ihn und stieß ihn mit der Seitentasche einige Male an. Nach einigen Stupsern, begann der Kohler schließlich in der Tasche zu kramen und brachte zwei Karotten zum Vorschein, die er dem Esel fütterte. Befriedigt ließ der den Kohler nun in der Pfütze sitzen und suchte sich eine etwas trockenere Stelle.

Er saß so eine Weile mit nassen Hosen am Boden, so lange, dass der kleine graue Esel bereits über eine dritte Karotte nachdachte. Dann schüttelte er den Kopf und stand langsam auf. Die feuchten Beinkleider klebten ihm am Hintern und schmutziges Wasser lief seine Beine herunter. Langsam, viel langsamer als vorher sammelte er die abgeschlagenen Äste auf zwei Haufen zusammen, ab und an verzog er das Gesicht und klaubte die nasse Hose von den Orten an und in die sie kroch. Den kleineren Asthaufen bander an das Geschirr des Esels, nahm das zweite Seilende in die Hand und so schleiften die beiden ihre Last entlang schmaler Tierpfade durch den Wald, bis sie am späten Nachmittag wieder auf den Hauptweg gelangten.

Der breite Waldweg war ungewöhnlich aufgewühlt, mehrere Reiter und Wägen waren in den letzten Stunden hier entlanggekommen. Die beiden hielten sich in der Mitte des Weges, der am wenigsten durch Räder und Hufe aufgewühlt war. Sie kamen gut voran und bogen vielleicht eine Stunde vor Anbruch der Dämmerung am reichlich verdreckten Unterstand auf den kleinen Weg zur Kohlerhütte ab.

Ein Stapel letztjähriger Äste und Scheite war umgeworfen und Ziege stand kauend auf der teils aufgepflügten Lichtung. Das Gatter zum Anbau hing schief, aber stand noch nicht weit genug offen, um den Hühnern die Flucht zu erlauben. Aus dem halb aufgebauten Meiler in der Mitte der Lichtung war Rascheln und Scharren zu hören. Der Kohler zuckte nur die Achseln. Er spannte den Esel ab und führte ihn zum Unterstand. Er warf eine Handvoll Körner aus einem hoch hängenden Sack in den Unterstand und füllte die Tröge von Esel und Ziege, während die Hühner hungrig nach den Körnern pickten. Die gefüllten Tröge entfalteten ihre magische Wirkung und zogen die beiden Mitbewohner des Köhlers wie an der Schnur zu sich. Vorsichtig gebückt, verließ der Köhler den kleinen Anbau. Er richtete das Gatter und sicherte es nach einem prüfenden Blick zum Meiler noch zusätzlich mit einem Stück des Seils, mit dem er die Zweige herbeigebracht hatte. Bevor er selber in die Hüte ging, blieb der Kohler an dem länglichen Erdhügel neben der Hütte stehen.

***

Vor zwei Sommern hatte der Altkohler den verdreckten, fiebergeschüttelten und beinahe ausgebluteten Mann nahe des Hochpass gefunden. Er hatte erst versucht den Fieberwahnsinnigen durch den Wald zu schleifen, aber konnte den großen Mann auch nicht zusammen mit seinem Esel transportieren. In einem behelfsmäßigen Unterschlupf hatte er ihn 40 Tage lang gepflegt. Jeden Tag rechnete er damit, dass der Fremde seinen letzten Atemzug tun würde, aber der hatte sich langsam erholt. Die klaffende Wunde in seiner linken Seite hatte sich geschlossen und das Fieber war abgeklungen. Bis zum Herbst hatte sich der Mann genug erholt, um ihm leidlich bei seiner Arbeit zur Hand zu gehen.

Weder fragte der Altkohler ihn jemals wo er hergekommen war, noch erzählte der Fremde es ihm, tatsächlich hatte er seit seinen wilden Flüchen und wirren Rufen, als ihn das Fieber noch fest im Griff hatte, kein Wort mehr gesagt.

Der Altkohler respektierte die Stille des Hünen, vergrub dessen Schwert und die geborstene Laute bei der langstieligen Axt und dem kurzen Speer neben der Hütte und freute sich an der Gesellschaft und ungeschickten Hilfsbereitschaft des bärenhaften Mannes.

Beinahe 40 Tage hatte es auch im letzten Winter gedauert, bis der Alte vom Husten aufgezehrt war. Der Kohler hatte ihn ebenso treu gepflegt und versorgt, nur leider ohne Erfolg. Darum musste er kurz nach den längsten Nächten des Winters auch das Grab hier ausheben. Er war dabei auf die Kiste, mit den Waffen gestoßen, die sorgsam in Öltuch eingeschlagen in einem Meter Tiefe ruhten, hatte den Alten dazu gebettet und das Loch wieder zugeschüttet. Nur die Laute hatte er genommen und über die Tür gehängt. Und er vermied es seitdem sorgsam dorthin zu blicken.

***