Geschichten von Schwertern und Zauberei

Der Kohler – 21

This entry is part 21 of 25 in the series Der Kohler

Lichtung der Pechsieder

Von der fast heruntergebrannten Feuerstelle aus konnte Harald die etwas seltsame Karawane sehen. Vorneweg lief Demmi neben Harald: Die beiden zerrten einen sehr großen kräftigen wie ein Holzfäller gekleideten Mann mit einem Sack über den Kopf an einem Seil hinter sich her. Knapp hinter dem Mann lief Jori mit blutverschmiertem Gesicht in dem hochrot geschwollen seine wieder einmal gebrochene Nase prangte. Zuletzt mit einem Esel an der Trense und einem zweiten Seil in der Hand lief Hark. Die Schleppe hinter dem Esel und den darin liegenden rothaarigen Jungen erkannte Harald erst, als die Gruppe auf der Lichtung angekommen war.

Juri stieß den Gefangenen von hinten zu Boden, der stoppte seinen Fall nur mühsam mit den gefesselten Händen. Aus dem Sack ertönte ein schmerzerfülltes Keuchen.

„n das?” fragte Harald

„Im Wald gefunden” nuschelte Juri, „der brutale Kerl hat mir die Nase gebrochen”

„Sicher auch mal Militär “warf Klaas ein, „vielleicht ‘n Deserteur?”

Harald ging vorsichtig um den Mann, der sich inzwischen wieder auf seine Knie aufgerichtet herum. So war er etwa so groß wie Harald. Unter dem Stoffsack schauten einige Strähnen eines langen Bartes hervor rot mit grau. Bruche und auch das Wams saßen locker so als hätte er in den letzten Wochen und Monaten einiges Gewicht verloren.

Der Holzfäller war auch im Knien eine beeindruckende Gestalt nicht nur durch die Größe und wegen der sehnigen Muskelstränge an Armen und Schultern, sondern auch wegen der flachen Masse zu der Joris Nase verformt war.

Harald zog dem gefesselten den Sack vom Kopf und musterte das bärtige etwas zerschlagene Gesicht des Mannes, der unverwandt zurück starrte. Er pfiff leise durch seine Zähne und ging noch einmal um den Mann herum. Ein Ruck am Seil brachte den aus dem Gleichgewicht und der Blick des Gefesselten fiel auf den kleinen Reiter, der unwillkürlich einen Schritt zurück machte, nur um dann noch einmal hektisch zu am Seil zu rucken. 

Klaas sagte: “Er kann uns sicher sagen, wo das Mädchen ist und was er mit den Wildhütern gemacht hat. Weil wenn wir das Feuer anmachen, wüsste ich schon wie er ganz schnell redet.” Jori lachte zustimmend.

Harald der so lange unverwandt das Gesicht ihres Gefangen aus verschiedenen Winkeln angeschaut hatte, sog einige Male etwas unschlüssig Luft durch die Zähne, dann nickte er: “Vorsichtig”, sagte er leise.

“Seid Vorsichtig” wiederholte er lauter. “geh Pferde holen, Wildhüter komm’n, gut, sonst Pferde.”

“Feuer! Fesseln, keine Unfälle” schloss er mit Blick auf den Gefesselten. 

Harald nahm sein Schwertgehänge vom Feuer auf und verließ die Lichtung in Richtung des großen Waldweges. 

Wie meist, wenn Harald etwas sagte, standen die anderen erst einen Augenblick unschlüssig da, bis sie Befehle und Erklärung auseinander hatten. Während dessen fixierte der Hüne weiter Demmi, der ab und zu am Seil zog.

„Lass das” übersetzte Klaas, „richtig fesseln sollten wir ihn, bis Harald mit den Pferden zurückkommt” 

Hark hatte sich derweil das Geschirr des Esels genauer angesehen und nahm lächelnd  einige Ketten heraus.

“Schaut mal das sollte halten! Ganz ohne, dass Jori die ganze Zeit hinter ihm stehen muss.” 

Jori wandte sich halb in Harks Richtung und schlug inzwischen ein bisschen lustlos nach dem Gefangenen, der zur Seite zuckte und dadurch Demmi einen guten Schritten in seine Richtung zog. 

“Wir werden dir ordentlich ein Feuer unter den Füßen machen. Dann wirst du uns schon sagen, wo das Mädchen versteckt ist” drohte Klaas

Der wandte sich zu ihm, fixierte ihn: “Mädchen?” fragte er stockend, “ was wollt ihr von dem Mädchen?”

Klaas trat dichter: “Auch die Leiche ist noch gutes Geld wert”

Der Hüne vor ihm ließ den Kopf hängen und Klaas beugte sich zu ihm herunter: “Sonst hab ich mir schon alles von ihr genommen was ich wollte” sagte er leise und höhnisch.

Der Kopf schnellte nach oben und knallte hörbar an Klaas Jochbein, der mit Sternen vor den Augen einige Schritte zurück stolperte. Ein harter Ruck am Seil zerrte Demmi auf den Knienden zu. Trotz aller Anstrengung zog es ihn immer dichter heran

Jori, der zu Hark und dem Esel gegangen war, um ihm mit den Ketten zu helfen, setzte sich viel zu spät in Bewegung. Bis er wieder herangetreten war, hatte sich ihr Gefangener aufgerichtet, das Seil zweimal um den Hals von Demmi gewickelt und würgte ihn während der langsam rückwärts in Richtung der Klippe ging.

Klaas hielt sich den Kopf, hatte sich aber schon wieder aufgerichtet und ein Ochsenziemer  in der Hand. Jori hatte ein kurzes Infanterie Schwert und stand etwa da, wo er gerade auf den Knien gelegen hatte.

Hark war schon etwa den halben Weg vom Esel gekommen. In der linken Hand hatte er noch die Baumketten, in der anderen ebenfalls ein kurzes schweres Stichschwert.

Demmi zappelte, sein Gesicht lief zunehmend rot an, aber er hatte ihn fest im Griff. Der Mann, der bis vor zwei Stunden der Kohler gewesen war, nahm die Positionen seiner Gegner durch einen schnellen Blick auf. 

Er kannte die Pechsiedler Siedlung, weil er hier einige Male zum Handeln gewesen war und er wusste, dass der Weg in den Wald versperrt war. Gefesselt wie er war würde er nicht an vier Bewaffneten vorbeikommen, auch wenn es in wenigen Augenblicken nur noch drei sein würden. Er hielt sich rückwärts auf die Pechhütte zu. Dem stabilsten Gebäude des Geländes. Er wollte Zeit gewinnen. 

Sobald er mit dem Rücken an die Tür der Hütte kam, stieß er Demmi von sich, der mit den Fingernägeln unter dem Seil an seinem Hals kratzte bis es sich zu einem gequälten Atemzug löste. 

Klaas und die anderen sahen die Tür in’s Schloß fallen und sie hörten wie der schwere Tisch von drinnen hinter die Tür geschoben wurde.

“Hab ihm ein Feuer versprochen, soll er eins bekommen” Klaas fletschte bösartig die Zähne.

***

Der Kohler – 22

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In der Rußhüttte

In der Rußhütte war es fast dunkel, es fiel nur ein wenig Licht durch einen Spalt unter der Tür. Er lehnte an dem Tisch, den er vor die Tür geschoben hatte und versuchte die rußige Dunkelheit zu durchdringen, versuchte zu erkennen, ob an den Wänden oder auf dem Boden irgendetwas lag, das sich als Waffe verwenden lies. Obwohl die Tür den ganzen Winter offen gestanden hatte und die Hütte ebenso lange nicht mehr im Einsatz gewesen war, roch es hier drin brenzlig, nach altem Feuer und klebriger Staub, schien sich in der Nase abzulegen, er hustete.

Die vier Soldaten draußen behielten ihre Disziplin. Kein Spot, keine Beleidigung riefen sie herein, aber er war sich sicher, dass sie den einen Ausgang bewachten. Er hatte weder Bögen noch Armbrüste gesehen, das war gut. Aber wenn kein Langschwert zum Werkzeug eines Rußbrenners gehörte, sah es ziemlich schlecht für ihn aus.

Er tastete nach unten. Immerhin der Tisch war aus gutem Holz, vermutlich Eiche, die Beine würden gute Knüppel abgeben. Vielleicht genug um ein Wirtshaus zu leeren, wenn ein Lied auf das falsche Publikum stieß, aber nicht genug um vier Soldaten mit Waffen und Rüstungen zu schlagen. Er schüttelte den Kopf.

Er schüttelte den Kopf und fragte sich einmal, wie schnell doch der ruhige Tag umgeschlagen war und wie schnell er von der ruhigen betäubenden Arbeit als Köhler und Holzfäller weggekommen war und wie leicht eben schon wieder das Töten fiel.

Derweil draußen hatte Klaas das Feuer wieder angezündet und einige Fackeln entfacht. Mit diesen kam er zurück zur Rußhütte. Das steinerne Gebäude bestand größtenteils aus einem vollständig gemauerten Brennraum und Kamin und hatte nur im vorderen Teil einen Bereich indem die Pechsieder und Rußbrenner ihre Werkzeuge ablegten, sowie den Tisch auf den sie dem Ruß abfüllten. Der vordere Teil war auch gemauert aber hatte ein Holzdach, das mit großen flachen Schindeln gedeckt war.

Im Sommer und wenn sie arbeiteten tränken Sie das Dach sorgfältig mit Wasser damit es keinesfalls leicht Feuer fing, denn im hinteren Teil der Rußhütte, in der Brennkammer, brannte beinahe ununterbrochen und kokelnd Holz.

Obwohl das Dach auch wegen der geringen Niederschläge der letzten Tage trocken war, fingen die glatten Schindeln nur langsam Feuer. Ganz anders als Klaas es von den Stroh- und Reet-gedeckten Bauernhäusern der Region gewohnt war. Schlussendlich brannte es doch. Erst langsam dann zunehmend munterer, als sich das Feuer nach innen fraß.

Drinnen konnte er nun immerhin etwas sehen. Im vorderen Teil der Hütte hatte das Dach Feuer gefangen und nach einigen Minuten beleuchteten die Flammen beleuchteten nun auch den rußschwarzen Innenraum. Rauch breitete sich in dem kleinen Raum. Kaum so lang wie er, wenn er sich ausgestreckt hinlegte und gerade hoch genug, dass er aufrecht stehen konnte.

Er schaute sich hustend um. An den Wänden hingen Kellen und Pfannen, einige Bürsten und ein paar kleine Schaufeln. Nichts mit dem er sich den kurzen schweren Stichschwertern der Soldaten draußen stellen wollte.

Am vielversprechendsten waren noch zwei große bronzene Schürhaken die neben der großen Luke zum Brennraum hingen. Einer mit zwei gezackten Spitzen, eine Feuergabel, zum Stochern in der Glut und der andere mit einem stumpfen Haken, um Scheite auseinander oder zusammen zu schieben. Beide hatten schwarze Holzgriffe, waren etwa Armlang und hingen von kurzen Ketten an der Wand neben der Luke.

Er hustete nochmal. Die draußen rechneten damit, dass er jeden Augenblick die Tür stürmen würde. Durch das Verschieben des Tisches und dadurch, dass sich die Tür nach innen öffnete, würde ihn dann lange genug Zeit bleiben um auf ihn vorbereitet zu sein.

Und lange konnte er hier drin nicht mehr aushalten. Das Feuer würde sich zwar nicht nach unten ausbreiten, aber wenn das Dach voll in Flammen stand, würde es einstürzen und wenn ihn vorher nicht der Rauch und der Qualm schon erstickt hätten, würde er dann unter den brennenden Balken begraben. Sein Blick fiel auf die große schwere Metall Luke die zum Brennraum führte

Klaas stand hochzufrieden mit der Fackel in de Hand vor dem brennenden Haus. Das Dach brannte inzwischen lichterloh, Jahre von Ruß und Qualm hatten sich jahrelang pechschwarz auf das Holz gesetzt und hatten es gut zum Brennen vorbereitet. Er stellte sich vor wie die Flammen überall zwischen den Schindeln hervorlugten. Hitze und Rauch würde ihr übriges tun.

Jori stieß ihn an: „Meinst er verbrennt? Oder kommt er rausgerannt?“

Klaas zuckte unschlüssig mit den Schultern. „Würd‘ mir ja wünschen, dass er rauskommt. Wär echt schade, wenn der ganze Spaß schon vorbei wär“

Demmi kam dazu: “Ich wette, er ist zu feige. Ein Fünfer sagt, dass er drinnen bleibt“

„Ich setz dagegen, in den nächsten 5 Augenblicken stürmt er aus der Tür“ sagte Hark

Klaas schaute Demmi böse an: „Was machst du hier und wer bewacht gerade die Rückseite?“

Aussichtlos

Drinnen breiteten sich die ersten Flammen wie Wellen an der Dachinnenseite aus. Er steckte mit dem Hintern einen Moment in der Lucke fest, bevor er den hindurchschieben konnte. Er hatte sich die Brennkammer angesehen und hatte die Hoffnung, dass er drinnen vor Rauch und Hitze ausreichend geschützt sein würde. Aber die Luke war und eng und deshalb war er mit den Füßen zuerst hineingekrochen. Lieber wollte er halb draußen hängend ersticken, als dass ihm die Füße abbrannten. Schließlich war er durch und zog die Metalluke hinter sich zu.

Die Brennkammer war rechteckig. Etwa mannsbreit und armtief. Sie hatte eine flache Decke, die zum Abzug am vorderen Ende anstieg. Es war warm und stickig in der Brennkammer, aber zumindest noch im Moment angenehmer als in der Vorraum. Er hockte sich mit dem Rücken zur Außenwand und stellte sich darauf ein, langsam an einer Rauchvergiftung zu sterben.

Dann fiel ihm die Position des Abzugs richtig auf. Der Schornstein der Rußhütte war am Ende des Gebäudes. Je Feiner der Ruß desto teurer war er, die Rußbrenner hier mussten den Qualm mindestens einmal umleiten, damit sich mehr von den feinen Partikeln absetzten.

Er stand unsicher auf, schwarze Flecken bildeten sich am Rand seines Seefeldes. Seine Finger suchten am Rand der Deckenplatte, bis er zwei Vorsprünge fand und mühsam die Platte ein wenig verschieben konnte. Worauf sie natürlich abrupt herunterfiel und er sie mit mit Hinterkopf und Schulter auffing. Es wurde etwas kühler in der Brennkammer als der Kamineffekt des Abzugs, frische Luft von einigen Zulässen am Boden des Brennraumes zog.

Sein Blick fiel auf den echten Kamin und entzückt auf eine eiserne Luke, die davor in das Dach eingelassen war. Sie war unverschlossen, von ihrem eigenen Gewicht an Ort und Stelle gehalten. Hoffentlich waren die Soldaten damit beschäftigt den Brand zu bewundern.

Er stieß die Luke auf und kämpfte sich durch die schmale Öffnung auf das Dach.

Gereizt bog Demmi nach dem Anpfiff durch Klaas um die Ecke des Gebäudes. Das Dach der Hütte brach gerade funkenstiebend zusammen und die Flammen schlugen lichterloh, als vom Dach des Gebäudes, hinter dem Schornstein hervor ein Dämon sich brüllend und glosend auf den kleinen Reiter stürzte.

Demmi quiekte erschrocken und riss noch die Arme nach oben, dann begrub ihn der Koloss aus dem Feuer unter sich. Sein Kreuz schlug knirschend auf einen hervorstehenden Stein. Und ein stechender Schmerz durchzuckte seinen Rücken, während sich Kälte in seinen Beinen ausbreitete.

Der Kohler – jetzt hatte er sich den Namen wohl endgültig verdient – rappelte sich auf. Er hatte den Schürhaken beim Sprung und folgende Sturz verloren, die Feuergabel hatte er aber noch fest in der Hand.

Er fummelte am Gürtel des kleinen Reiters nach weiteren Waffen, bekam aber nur den Stein einer Bola in die Hand. Den packte er, wollte die Wurfwaffe direkt gegen den ersten Soldaten schleudern, der mit einer Fackel in der eine und dem Ochsenziemer in der anderen Hand auf ihn zu rannte. „Immer den schnellsten zuerst“ dachte er und riss den Arm nach oben. Bola löste sich allerdings nicht vom Reiter und er schleuderte den ganzen Mann samt Waffe ein Stück in die Richtung des Angreifers.

Klaas hatte nicht gesehen, wie der Kohler durch das Dach gekommen war, aber gehört, wie er vom Dach auf Demmi gesprungen war und losgerannt. Jetzt kollidierte er mit der kleinen Gestalt des Reiters, der sich wie eine zerbrochene Stoffpuppe um seine Beine wickelte, ihn zu Fall brachte.

Im Licht des Feuers glänzte die Haut des Hünen. Schwarze Rußstreifen und rote Verbrennungen zogen sich seinen Schultern entlang. Blut strömte von seinem Scheitel und troff vom Bart herunter.

Jori und Hark waren an der Klippe entlang um die Rußhütte gelaufen und kamen halb im Rücken des Kohlers zum Stehen. Der Koloss richtete sich jetzt auf, hinter ihm lagen ihre beiden Kameraden übereinandergeworfen wie Spielzeug. Mit der Feuergabel in der einen und der Scythensichel von Demmi in der anderen Hand brüllte er eine unverständliche Warnung und stürmte auf sie los.

Es gibt keine Feiglinge in der schweren Infanterie des Reichs. Jori und Hark standen Schulter an Schulter, die kurzen schweren Schwerter auf den heran stürzenden Gegner gerichtet. Wellen von brüllenden Wilden waren an ihnen und ihren Kameraden gebrochen, so auch diesmal. Beinahe perfekt im Takt Schritte stieß Joris Klinge von unten nach oben und Harks von oben nach unten, direkt in den Lauf eines Gegners der nicht mehr dort war. Mit einer kaum merklichen Drehung seines Fußes hatte der Kohler die Bahn gewechselt und glitt rechts an Hark vorbei, die Feuergabel lenkte dessen Schwert so weit ab, dass es harmlos gegen Joris Waffe stieß. Auf Höhe der Schulter sauste die Sichel herab und grub sich tief von oben in die Stirn des Soldaten.

Die Sichel löste sich nicht aus Harks Kopf und der Ruck brachte den Kohler aus dem Gleichgewicht. Zwang ihn Waffe loszulassen und er kam etwas ungeschickt zum Stehen. Mit überkreuzten Beinen stand er einen guten Schritt hinter seinen beiden Gegnern von denen einer hustend zu Boden ging während der andere herumfuhr, mit einem wütenden Streich den Kohler zu einem hektischen Sprung nach hinten zwang. Am Rand der Klippe kam er zu stehen.

Jori folgte ihm wütend, aber vorsichtig und auf die enorme Reichweite seines Gegners bedacht, ging er mechanisch ein Bein vor das andere, Schritt für Schritt, trieb seinen Gegner langsam den Rand der Klippe entlang.

Ein bronzener Schürhaken ist wenig geeignet einen entschlossenen Schwertträger zurückzuschlagen. Zunehmend in Bedrängnis und immer darauf bedacht nicht in den Abgrund zu stürzen, wob der Haken ein verzweifeltes Muster in die Luft. Das schwere Stichschwert grub dabei tiefer und tiefere Zacken und Kerben in den Haken.

Neben den beiden brach ein weiterer Teil des brennenden Daches ein. Funken und Flammen schlugen hoch und der Wind wehte die glühende Asche in die Gesichter der Kontrahenten. Ein Funke bahnte sich den Weg in Joris rechtes Auge halbblind schlug der der ein wildes X vor sich in die Luft und versuchte hektisch und Tränen blinzelnd den Fremdkörper aus dem Auge zu bekommen. Der Kohler hatte rechtzeitig die Augen geschlossen, er zog die Feuergabel weit zurück, um dem Abschwung Joris keinen Widerstand zu bieten und nutzte die schmale Lücke in der Deckung des anderen und das blinde Auge für einen Stich in die rechte Halsseite, der zweite Zacken grub sich von unten durch das Kinn in den Gaumen und erstickte Joris Schmerzensschrei.

Beinahe beiläufig wischte er mit der flachen linken Hand das Schwert beiseite, dass der andere noch einmal instinktiv hochgerissen hatte und es fiel mit einem dumpfen Schlag auf den Boden. Gurgelnd rann Blut aus zusammengepressten Lippen und Jori sank zusammen. Der Kohler bückte sich nach dem Schwert und ließ seinen Besitzer im Blut würgend liegen, dann bog er um die Ecke des brennenden Rußhauses.

Klaas hatte sich inzwischen aus der Umarmung des kleinen Reiters befreit und war wieder auf den Beinen. Er sah die hünenhafte Gestalt ihres vormals Gefangenen um die Ecke des brennenden Gebäudes treten, Blut und Ruß zeichneten Streifen und tiefe Schatten auf die Gestalt. Das Feuer glänzte auf der Stirn und flackerte in den Augen. Der Ochsenziemer fiel aus seiner Hand. Das Schwert in der Linken ging der Kohler langsam auf seinen letzten Gegner zu. Der Rädelsführer, der ihn vorhin verhöhnt hatte und vorhin damit geprahlt hatte, was er mit dem Mädchen im Teich unten am Fuß der Klippe getan hatte, hatte die Hände bittend erhoben. Er griff die beiden Hände in einer, Klaas wimmerte, als die Knochen in seinen Fingern knirschend aneinander malten. Langsam und mühsam zog er den kleineren Mann an den Armen nach oben, ließ das Schwert fallen und packte mit der linken im Schritt des anderen zu, hob ihn so vom Boden auf. Klaas hatte sich schreiend zusammengekrümmt, als ihn der Kohler an den Eiern griff. Wie Glasscherben schossen ihm die Schmerzen durch den Unterleib, als seine Hoden quetschten. Er spürte wie seine Hände losgelassen wurden und ruderte mit den Armen, dann packte ihn der Hüne am Kragen und hob ihn weiter hoch.

Klaas versuchte erfolglos am Kopf oder den Schultern seines Peinigers Koloss halt zu finden. Schweiß und Ruß hatten eine ölige Schicht auf die Haut geklebt und seine Finger glitten erfolglos herab, als er sich windend und um sich schlagend versuchte sich aus dem Griff zu befreien. Unaufhaltsam kam der Rand der Klippe auf ihn zu und mit einem wütenden stöhnen wurde er in die Luft gestoßen unter ihm, tief unten die Baumwipfel.

Der Kohler – 23

This entry is part 23 of 25 in the series Der Kohler

Ein Ende

Schwer atmend stand der große Waldmensch am Rand der Klippe. Seine Schultern pochten, es hatten sich die ersten Blasen gebildet. Auch an Brust und Hüfte hatte er in den schmalen Luken Haut gelassen und das Gemisch aus Schweiß und Ruß brannte ebenso heftig wie die Verbrennungen.

Seine Beine zitterten und das linke fühlte sich gezerrt an. “Wie immer, die Beuger nicht gedehnt, ich sollte es besser wissen” murmelte er. Der Wind blies vom Wald in Richtung der Klippe, wie immer abends und der kühle Wind tat ihm gut. 

So stand er eine Weile bis er Pferde näherkommen hörte. Er drehte sich um. Der ältere Soldat, der ihn vorhin so lange gemustert hatte, saß auf Hjallmanns Wallach. Er hatte einen Kreuzbogen in der Armbeuge, der Bolzen zielte ungefähr auf seine Brusthöhe.

„Gibt n schön’s Lied”, sagte der Alte.

„Letzte Strophe?” der Kohler spannte sich und drehte langsam seinen Oberkörper

„Bin nicht verückt” lachte der Andere “nich gnug, nur ein Bolzen”. “Se wern dich jagen, is nix neues, hm? heiß Harald”

Der Kohler nickte erst, dann schüttelte er den Kopf:”Und was jetzt, was machst du?”

„Nehm die Pferde und die andern un ich reit weg” Harald nickte in Richtung Westen, weg vom Reich und Grenze.

“Warum?” fragte ihn der andere

„n einer von euch auftaucht, bleibn die andren nicht liegen, einmal Bürgerkrieg reicht”

Der Kohler nickte noch einmal, ein schneidender Ton kroch in seine Stimme:“Das Mädchen unten, was war mit dem?” 

“Dreck, unnötiger Dreck – hast n hinterhergeworfen, gut” Harald packt die Armbrust etwas entschlossener: „reit’ jetzt”

Harald hielt den Atem an, bis der Waffenmeister vor ihm schließlich nickte, dann atmete er erleichtert auf. Ohne den Mann am Feuer aus den Augen zu lassen, ritt er zu den Pferden der Soldaten. Als der andere keine Anstalten machte, näher zu kommen, stieg er ab, sammelte die wichtigsten Sachen zusammen, traf eine Auswahl aus den vorhandenen Reittieren und ritt schließlich mit vier Pferden im Schlepp in Richtung Westen los.

Bevor er die Lichtung verließ, drehte er sich noch einmal um: „Gehst auf’s Feld?”

Der Kohler musste nicht nachfragen welches Feld gemeint war, er schüttelte den Kopf

Harald rief hinterher: „Solltest zählen gehen, ist bewacht!”

***

Für einen kurzen Moment empfand Klaas Erleichterung, die Schraubzwinge um seine Hoden war gelöst, dann wurden die grauenhaften Schmerzen abgelöst von der grauenhaften Erkenntnis viele Schritt durch die leere Luft zu fliegen, er schlug im Wasser des Tümpels ein.

Eine beeindruckende Fontäne spritzte auf prasselte auf die Blätter und den Matsch um den Tempel herum Nidda der Aufprall presste Klaas die Luft aus den Lungen, er sank im Wasser nach unten bis seine Füße an die Wurzeln der Sumpfeiche stießen.

Er strampelte und ruderte wild mit den Armen und tauchte prustend im Tümpel auf. Er holte angestrengt Luft, sein Fuß oder eher sein Stiefel hatte sich am Boden des Tempels in einer der Wurzeln verfangen, aber sein Kopf schaute einige Zentimeter aus dem Wasser und wenn er sich streckte, bekam er Luft.

Sein Fuß steckte fest, er wand sich, versuchte sich los zu reißen, vergeblich. Etwas stieß etwas driftete von hinten an seinen Kopf eine eiskalte Hand strich an seinem Hals entlang. Aufgeschwemmt von seinem Sturz in das Wasser driftete die Leiche von Marie an ihm entlang Klaas schauderte.

Er holte tief Luft und krümmte sich nach unten, tastete im moorigen, torfigen Wasser nach der Wurzel, tastete an den Schnallen seines Stiefels und versuchte solange er den Atem anhalten konnte, seinen Fuß zu lösen oder den Stiefel zu lösen oder irgendwie sich aus seiner Lage zu befreien. Aber es war vergeblich.

Das Blut pocht in seinen Adern, in seinen Ohren rauschte es und er streckte sich wieder nach oben. Doch er kam nicht an die Oberfläche. Er stieß mit dem Kopf von unten gegen nassen Stoff und den kaum beweglichen Leichnam. Angewidert und hektisch drückte er den Körper beiseite.

Holte dankbar Luft.

Er hatte das Gefühl dass sein Fuß noch fester steckte als vorher. Sein Kinn, wenn er sich streckte, ging immer noch gerade aus dem Wasser heraus, er musste allerdings den Kopf ein bisschen zurücklegen, das Kinn so weit hochstrecken wie er konnte, denn sonst schwappte noch die ein oder andere kleine Welle in seinem Mund. Zwischen den Atemzügen konnte er sich beinah treiben lassen.

So gut es eben ging sah er sich um. Links von ihm trieb Marie im Wasser, dahinter konnte er einige Bäume am Rand des Tümpels erkennen, rechts und vor sich auch wiederum Bäume nur wenige quälende Schritte entfernt.

Das kalte Wasser des Tümpels kühlte seine geschundenen Eingeweide, trotz der unbequemen Haltung wurde Klaas klar, dass es schlimmer sein könnte. Er würde sich schon von der Wurzel lösen können, immerhin war er am Leben, seine Hoden schmerzte kaum noch, alles würde sich für ihn einrenken. Nur ein wenig Geduld dachte er sich, streckte sich noch einmal für einen tiefen Atemzug und überlegte, wie er sich winden und drehen könnte um den Fuß frei zu bekommen.

 Ein Regentropfen fiel auf seine Stirn, rann in seine Augen. Klaas blinzelte den Tropfen weg, drehte den Kopf zur Seite, ein zweiter dicker Tropfen fiel neben ihm ins Wasser. Eine Vielzahl von Tropfen zeichnete kleine spritzende Kreise in das Wasser des Tümpels.

***

Der Kohler – 24

This entry is part 24 of 25 in the series Der Kohler

Kohler – 24

Entkommen

„Geduld gehört zu den Tugenden eines Soldaten“, grummelte Bent. Er saß seit inzwischen einem halben Tag gemeinsam mit Enno auf der kleinen Lichtung mit dem kleinen Bach direkt am Anfang des Waldes. Sie hatten vermutet dass die beiden Jugendlichen, falls sie noch nicht zurück in ihr Dorf gelangt wären, auf jeden Fall an dieser Stelle vorbei kommen müssten.

Bent mochte Enno, aber es gibt wenige Menschen, mit denen du dich einen Tag lang zusammen gut langweilen konntest. Enno sprach ununterbrochen von seinem Knaster, wenn er ihn nicht rauchte. Fast wünschte sich Bent schon die Gesellschaft von Klaas und seinen kruden Witzen. So weit war es gekommen.

Die beiden saßen gar nicht bequem hinter einigen Stämmen und zerflederten Büschen, die die Sicht auf die Lichtung fast verdeckten. Diese geschützte Lage hatten sich in den vergangenen Jahreszeiten anscheinend auch jede Menge Holzfäller, Jäger und Pechsieder zunutze gemacht, wenn sie nur einmal ungestört pissen oder kacken wollten.

Trotz der Winterpause stieg fein und unnachgiebig der süßliche Ammoniak Geruch in Bents Nase. Enno schien der Geruch nicht zu stören und er saß ungerührt auf einem Stück seines Mantels auf dem feuchten Moos. Bent bekam zunehmend Krämpfe in den Waden, seine Knie waren blockiert und die Schenkel zu einer schmerzhaften Masse zusammengezogen, vom Versuch seinen Po ein paar Fingerbreit über dem durchweichten Boden zu halten. Aber sie waren belohnt worden. Anna und Haagen hatten sich nach der unbequemen Nacht im Kohlenmeiler ein gutes Stück nach Norden in den Wald geschlagen und waren verschlungenen Tierpfaden durch stachelige Gebüsche gefolgt. Alles in der Hoffnung auf einen Weg zu stoßen, der sie im Bogen aus dem Wald führen würde. Erfolglos, die Pfade führten alle zurück zum großen Waldweg oder auf die Lichtung mit der Kohlerhütte. Jetzt folgten sie also wieder vorsichtig dem Waldweg, immer auf der Hut und jederzeit bereit zurück in den Wald zu huschen.

Dann kamen sie auf die Lichtung am Bach. Am anderen Ende der Lichtung konnten sie sehen, wie der Wald endete und sie sahen den Weg fast bis nach unten bis zu ihrem Dorf. Haagen nahm Ana an der Hand und sie stolperten los. Sie liefen quer über die Lichtung in dem Glauben, in der Hoffnung am Ende der Lichtung frei und sicher zu sein.

Bent sprang hinter dem Holzstapel hervor. Seine eingeschlafenen Beine gaben nach und der schlug als erstes lang hin. Haagen fuhr erschrocken zusammen, dann riss er Anna fast von den Füßen und rannte mit ihr an der Hand los. Enno war entspannter. Er stand langsam auf löste seine Bola von seinem Gürtel und ließ sie einige Male schwirrend über seinem Kopf kreisen, bevor er die Bola losließ und sich in aller Seelenruhe hinunter zu Bent bückte, um ihm breit grinsend auf die Beine zu helfen.

Haagen wurden abrupt gestoppt, als sich die drei Steine um seine Beine wickelten. Mit nur einer Hand, er ließ Ana nicht los, konnte sich nicht abbremsen und so schlug er fast ungebremst auf den Boden. Ana stolperte, ihr Handgelenk knirschte schmerzhaft und ihre Schulter durchfuhr ein hässlicher Ruck. Einen Augenblick nur hielt sie inne, starrte auf Haagen am Boden, überlegt ob sie Haagen wieder aufhelfen sollte, aber dann waren die beiden Soldaten schon heran.

Ohne größeres Aufhebens und nur mit, oberflächlicher Grausamkeit nahmen Enno und Bent die beiden Jugendlichen wieder gefangen.

Ana weinte leise, sie ließ sich aber beinahe teilnahmslos führen. Die unruhige Nacht und der lange Tag hatten sie ausgehöhlt. Haagen wäre kämpferische gewesen, aber ihm war schwindelig vom Sturz und eine große Beule bildete sich an seiner rechten Schläfe.

So führten die beiden Soldaten die beiden bis zum Unterstand an der Abzweigung zur Kohlerhütte und das Glück wollte es so, dass es gerade dann begann zu regnen. Enno und Bent sahen sich nur kurz an, dann zogen sie die beiden Jugendlichen unter den Unterstand. Enno begann ein Feuer zu bauen.

„Hilf mir mal“ sagt er, „bring Holz.“

 Bent erwiderte: „Ich muss mich um die beiden kümmern, sie hauen uns sonst ab.“

„Steck sie halt in den Käfig!“

Bent zuckte mit den Achseln: „Is aber eng“

„Na meinst du das stört die, in dem Alter?“ lachte Enno

Für die beiden wurde es richtiggehend gemütlich.

Für Anna und Haagen nicht besonders. Der Käfig hing im Regen und sie waren dem Wetter ungeschützt ausgesetzt. Haagen Augen waren glasig, erwiderte auf ihre Anreden nur stockend. Als sie ihn wegschob, weil er plötzlich schwer gegen sie lehnte, übergab er sich würgend, war aber wach genug, dass er sich zum Gitter drehte. Kreidebleich und zitternd hing Haagen am Gitter. Er sah verschwommen und Übelkeit schüttelte ihn in Wellen. Er würgte noch mehrmals trocken, nachdem er seinen spärlichen Mageninhalt losgeworden war. Ana ging es nur wenig besser, sie quetschte unbequem neben ihm, der Regen hatte ihre Locken an die Stirn geklebt und das Wasser tropfte ihr in die Augen, durchweichte ihre Tunika, die eiskalt an ihrer Haut klebte. Unglücklich starrte sie in den Regen und sah als erste den Reiter und die vier Pferde, die er im Schlepptau hatte.

Harald zügelte sein Pferd und es trottete langsamer, als er auf die Höhe des Unterstands kam. Es schüttelte den Kopf und zuckte mit den Ohren, so als wollte es ihm klarmachen, dass es am Feuer warm und trocken sein würde.

Enno und Bent waren in Haralds Augen die brauchbarsten Mitglieder von Klaas Rotte, auch wenn sie beide gerade reichlich breit und pflichtvergessen am Feuer saßen. Er überlegt kurz, dann stieg er vom Pferd, band die Zügel lose an und trat in den Unterstand.

Die beiden waren aufgesprungen, Enno versteckte schuldbewusst seine Pfeife hinter dem Rücken. Bent kam einen Schritt auf ihn zu

„Hör mal Harald, wir waren schon auf dem Weg“ rief er.

„Reit nicht zurück“ Harald spuckte aus „verpiss mich“

„Was, warum?“ stotterte Bent „was ist denn passiert?“

„Später, will leben, kommt ihr?“ fragte Harald.

Bent schüttelte eher ungläubig den Kopf, machte einen Schritt zurück.

Enno war auf die Pferde zugegangen, er hatte seine Faust schützend um die Pfeife gelegt und starrte nachdenklich auf die Tiere, erkannte Klaas‘ und Demmis Reittier.

„Demmi wird nicht so froh sein, dass du sein heiliges Ross reitest“

„Ist nich mehr froh, keiner mehr“ Harald Miene war unverkennbar.

Enno packte seinen Mantel und sein Waffengehänge zusammen.

„Willst du etwa auch desertieren?“ fragte ihn Bent.

Enno blies einen Rauchring, klopfte seine Pfeife aus und ließ sie in einem Lederbeutel verschwinden.

„Das ist Harald, willst du gegen was kämpfen, vor dem Harald wegrennt?” murmelte er.

„Willst leben?“ bekräftigte Harald.

Bent ging immer noch kopfschüttelnd zu seinem Pferd und saß auf.

„Wird’s bald?“ rief er den beiden anderen zu.

Ana hatte sich die Szene ungläubig angesehen, als sie Harald und Enno auch aufsteigen sah, fragte sie: „Hey, was ist mit uns?“

Auf Höhe des Gitterkastens hielt Harald kurz an: „Glückstag“ und zerschlug das Seil, mit dem der Kasten gesichert war.

Sie sah den Reitern noch einige Zeit ungläubig hinterher, dann sackte Haagen wieder zusammen. Da er gegen die Tür des Käfigs lehnte, schwang die jetzt nach außen und er mit ihr. Ungeschickt blieb er im Matsch vor dem Käfig liegen. Ana kletterte aus dem schwankenden Käfig und richtete Haagen mühsam auf. Junge Männer trugen sich allerdings wie halbausgewachsene Schweine. Blieb es also wieder an ihr hängen, dachte sie.

Der Kohler – 25

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Noch ein Ende

Die Kohlerhütte war eng geworden, spätestens als ihr Besitzer sich unter dem niedrigen Türsturz durchbückte, mit dem fiebernden Janis auf seinem Arm, war sie übervoll.

Ana hatte gerade Hagen auf dem leeren Bett ein Lager gerichtet und sie drückte sich erschrocken an die Wand daneben, als der Hüne die Tür aufstieß. Ihr Blick ging vom blutverschmierten Mann zu den Werkzeugen an der Wand. Sie spannte sich zitternd.

„Hab keine Angst“ hörte sie ihn mit überraschend hoher und schöner Stimme sagen.

Er legte Janis vorsichtig auf dem zweiten Bett ab

„Vorerst gibt es niemanden mehr im Wald, der uns etwas böses will, du bist bei mir sicher.“ fuhr er fort.

Und so wie er das sagte, stimmte es auch, wusste Ana.

Die nächsten Tage kümmerten sie sich um die beiden. Janis lag im linken Bett, Haagen im Rechten und der Kohler und Ana teilten sich den schmalen Streifen warmen Bodens vor der Feuerstelle. Nach der ersten faden Graupensuppe, hatte Ana das Kochen übernommen, und der Kohler ließ sie nur zu gerne gewähren, auch wenn er ihr freundlich aber bestimmt verbot das Huhn, das keine Eier legte, zu schlachten. Sie sprachen wenig und er verbrachte viel Zeit draußen, kümmerte sich um den großen Kaltblüter, den er vom Plateau mitgenommen hatte und machte Köhler Dinge, wenn auch etwas zögerlich. Nur einmal wurde er heftig, als Ana ihn auf die Laute über der Tür ansprach und er unfreundlich verneinte, dass er damit nichts anfange könne.

Wie immer erwachte der Kohler am dritten Morgen als erster. Er lag noch einen Moment in der kalten Stille und genoss ein wenig nicht alleine zu sein. Er lauschte dem leisen rumoren von Esel und Ziege und horchte auf den Atem der jungen Leute, die bei ihm zumindest einen vorübergehenden Unterschlupf gefunden hatten. Ana schnarchte leise mit halb geöffneten Mund, Janis wimmerte etwas, in den Morgenstunden plagten in Alpträume, das konnte er gut nachvollziehen.

Vom rechten Bett hörte er nichts. Haagen hatte gestern Abend wieder über heftigere Kopfschmerzen geklagt, also stand er jetzt auf und ging lautlos und vorsichtig, um die anderen nicht zu wecken, zum rechten Bett. Der Junge war bereits eiskalt. Er seufzte, dann ging er nach draußen auf die halbdunkle Lichtung und fing an zu graben.

Ana wurde wach, als der Kohler begann den halbfertigen Kohlenmeiler umzuschichten. Janis war schon auf, nur vom rechten Bett rührte sich nichts. Sie sah die Tränen, die ihm herunterliefen und ihr war klar, was geschehen war.

Nachdem sie ein paar Minuten still geweint hatte, sagte sie zu Janis nur: „Hilf mir“.

Dann trugen sie gemeinsam den schon steif werden Haagen nach draußen.

Als sie mühsam mit ihrer sperrigen Last durch die enge Tür kamen, sahen sie, dass der Kohler den halbfertige Meiler zu einem Scheiterhaufen umgebaut hatte. Gerade hob er aus einem Loch im Boden ein in Öltuch gewickeltes langes Bündel.

„Lasst mich helfen“, er legte das klirrende Bündel ab und half ihnen den Freund auf den Scheiterhaufen zu betten.

„Das wird furchtbar stinken auf der Lichtung“ sagte er während er einen Krug Kiefernpech großflächig verteilte.

„Ich werde also aufbrechen, sobald das Feuer entfacht ist“

„Wo gehst du hin?“ fragte ihn Ana

„Ich habe mich lang genug hier im Wald vor der Geschichte verborgen, aber jetzt möchte ich wissen, was mit meinen Kameraden passiert ist“

„Lass mich mitkommen“ sagte Janis „ich will denen hinterher, die müssen bezahlen für das was sie angerichtet haben“

„Bist du auch auf den Kopf gefallen?“ fragte ihn Ana schroff

Der große Krieger blickte die beiden an: „Ana hat recht, aber du auch, schlussendlich muss einer aufstehen und beginnen sich zu wehren. Dann werden die Söhne und Töchter von Fronbauern zu Helden und folgen Tänzerinnen und Schaustellern in den Tod“

Er schlug das Öltuch auf, griff das Schwert und die langstielige Axt.

„Wenn du dich erholt hast, wenn du im Sommer immer noch glaubst, dich rächen zu müssen, dann reite zum Feld auf dem das Reich begonnen wurde und auf dem wir es beenden wollten.“

Janis nickte heftig: „Ich werden kommen, sicher, wie finde ich dich“

„Frag nach Marius, frag nach der singenden Klinge..“ er lächelte kalt

Er kraulte den kleinen grauen Esel noch einmal zwischen den Ohren und nahm den mächtigen Kaltblüter an der Trense

Ana war derweil zur Hütte gerannt und sie kam mit der Laute in der Hand wieder heraus. Streckte sie ihm entgegen

„Ich bin noch nicht wieder so weit, zu singen“ der Kohler schüttelte den Kopf

„Aber du wirst Lieder schreiben“ sie kam noch einen Schritt näher

Marius nahm die Laute vorsichtig in die Hand, dann ging er das letzte Mal den kleinen Pfad weg von der Kohlerhütte.

Epilog

Der junge Mann und der kleine Esel teilten sich die Arbeit. Zusammen hatten sie methodisch die Lichtung vor dem Tümpel aufgeräumt, er hatte die Leichen der Wildhüter entkleidet durchsucht und gemeinsam hatten sie die drei einige Schritte von der Lichtung zu einer Wildschweinsuhle gezerrt. Einige Male blieben sie fast im Morast stecken, der nach den anhaltenden Regenfällen der letzten Tage noch tiefer war als sonst.

Er hatte erst überlegt, Klaas einfach im Wasser zu lassen, aber der Kohler hatte ihn davor gewarnt, dass er nur unnötig das Wasser vergiften würde. Also schwamm er durch das undurchsichtige Wasser zur aufrecht im Wasser stehenden Leiche des Soldaten und versuchte dabei die sachten Berührungen von schleimigen Wasserpflanzen zu ignorieren. Er fürchtete schon hinabtauchen und ihn blind los schneiden zu müssen, aber nachdem er Klaas das Seil um den Gürtel gebunden hatte, kam der schon durch einen leichten Zug los und begann fast von selber in Richtung des Tümpelrandes zu treiben. Gemeinsam hatten sie ihn also rasch bei den Wildschweinen abgelegt.

Jetzt stand er aber zitternd am Rand und lehnte sich erschöpft an eine der Eichen, die den Teich einfassten. Mehrmals war er durch das Wasser zur Sacht am Fuß der Sumpfeiche treibenden Marie geschwommen. Und er hatte sie keinen Millimeter in Richtung des Randes bewegen können. Beim letzten Mal hatte er sich in einigen Wurzeln verfangen und die Arme der Eiche hatten unwillig geschwankt und geraschelt, während er sich aus ihren Füßen wand.

Der Baum an dem er lehnte knarrte und schwankte ein wenig, obwohl es hier unten am Fuß der Klippe windstill war. Janis schluckte trocken, dann nickte er dem Esel zu, der einige Meter vom Teich entfernt in der Sonne stand. „Komm Kleiner, gehen wir nach Haus“.

– Ende –